Groß angelegte Studie blickt auf Islam in Bayern

Wunsch nach Normalität und Warnung vor falscher Rücksichtnahme

Der Auftrag zur Islam-Studie kam Jahre vor der Landtagswahl. Kurz vor dem Urnengang liegen jetzt die Ergebnisse vor: Nicht jede Empfehlung der Wissenschaftler wird bei Bayerns Staatsregierung auf Gegenliebe stoßen.

Autor/in:
Christian Wölfel
Junge Muslime bei Veranstaltung mit Salafistenprediger Pierre Vogel (Archiv 2013) / © Thomas Lohnes (epd)
Junge Muslime bei Veranstaltung mit Salafistenprediger Pierre Vogel (Archiv 2013) / © Thomas Lohnes ( epd )

Die Anerkennung schlichter Normalität des (auch) Muslim-Seins in Bayern und Deutschland" - sie ist offenbar noch nicht selbstverständlich. Sonst hätten die Autoren der Studie "Islam in Bayern" diesen Satz nicht in ihre gut 100 Seiten umfassende Handlungsempfehlung an die Politik geschrieben. Die Forscher vom Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa (EZIRE) nehmen in ihrer Expertise viele, oft kontroverse Themen auf, vom Salafismus über islamischen Religionsunterricht bis hin zum Kopftuch. Ihre Antworten sind dabei differenziert und keineswegs ein einziges Plädoyer für Toleranz.

So warnen die Fachleute davor, zu viele kulturelle Zugeständnisse zu machen, wenn es etwa um das Frauenbild geht. Eine Behördenvertreterin müsse ebenso akzeptiert werden wie eine Frau bei der Essensausgabe in der Asylbewerberunterkunft. Sollte ein Flüchtling tatsächlich die Annahme von Nahrungsmitteln, die Frauen ausgeben, verweigern, "darf man darauf schließen, dass er auf die Mahlzeit zu verzichten gedenkt", heißt es in dem Papier. Doch patriarchale Strukturen seien kein Religions-, sondern ein Migrationsproblem, sagte EZIRE-Direktor Mathias Rohe. Diese gebe es auch bei Männern aus Indien oder Russland.

Keine einfachen Antworten

Auf die Frage nach der Gesichtsverhüllung gibt die Studie keine einfachen Antworten. Das vor einem Jahr in Bayern in Kraft getretene Gesetz habe für wünschenswerte Klarheit in relevanten Bereichen des Landesrechts gesorgt, schreiben die Forscher. Auch das Kopftuchverbot in der Justiz lehnen sie nicht rundweg ab. Vielmehr hoffen sie, dass es in muslimischen Gemeinschaften zu Debatten führt: nämlich darüber, ob berufliche Entwicklungsmöglichkeiten nicht wichtiger sein sollten als die Einhaltung individueller religiöser Überzeugungen.

Ausdrücklich plädieren die Autoren für Sachlichkeit in Diskussionen: "Alles andere wird von Extremisten als willkommenes Argumentationsmaterial für angeblich doppelte Standards im von ihnen abgelehnten Rechtsstaat genutzt." So positionieren sich die Forscher gegen ein allgemeines Verbot von Gesichtsschleiern wie in Österreich: "Geringe Fallzahlen stehen im Kontrast zu heftigen Konflikten."

Plädoyer für den Islamischen Religionsunterricht

In Auftrag gegeben und finanziert wurde das Projekt vor drei Jahren vom damaligen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Wer aber glaubt, die Wissenschaftler würden nur der Staatsregierung genehme Ergebnisse liefern, täuscht sich. So steht etwa das klare Plädoyer für den Islamischen Religionsunterricht als Regelangebot konträr zur aktuellen Beschlusslage. Bessere Perspektiven für Lehrer werden gefordert. Sonst drohe die Abwerbung durch andere Bundesländer.

Gleiches gelte bei Projekten zur Bekämpfung des Salafismus. Top-Leute aus dem Bereich Deradikalisierung seie abgewandert, weil man ihnen bessere Stellen angeboten habe. Auch in Sachen Bestattungskultur wenden sich die Forscher gegen einen Beschluss des Landtags, der im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern an der Sargpflicht festhält. Außerdem werden klare Regelungen zur muslimischen Seelsorge in Gefängnissen gefordert: "Es kann nicht sein, dass der Iman darauf angewiesen ist, mit dem christlichen Seelsorger in die Justizvollzugsanstalt zu kommen, weil er nicht anerkannt ist."

Überwachung der salafistischen Szene

Als Erfolg engmaschiger Überwachung und Razzien in Bayern bewertet die Studie die Entwicklung der salafistischen Szene. Deren Anhänger wanderten unter diesem Druck eher aus dem Freistaat ab. Es fehle aber bisher die Zusammenarbeit mit gemäßigten muslimischen Gemeinden, kritisierte Forscher Mahmoud Jaraba. Auch müssten Imame zum Umgang mit salafistischen Jugendlichen fortgebildet werden.

Gewachsen sei die Islamfeindlichkeit, in ganz Deutschland wie in Bayern, stellen die Forscher fest. Diese komme immer wieder auch in der Ablehnung von Moscheen zum Vorschein. Im Internet kursierten regelrechte Anleitungen, wie der Bau eines muslimischen Gotteshauses verhindert werden könne. Die Studie hält mit einem Leitfaden dagegen, wie ein solches Projekt gelingen kann. Wichtig sei, die Bevölkerung zu informieren und möglichst an der Planung zu beteiligen.


Quelle:
KNA