Es gehe "nicht nur um unsere historische Verantwortung, sondern auch um unsere Verantwortung für die Menschen, die hier leben und nicht zuletzt für die Demokratie in Deutschland", so der CDU-Politiker.
Im Rheinland sind am Donnerstag rund 800 Menschen gegen Judenfeindlichkeit auf die Straße gegangen. Nach antisemitischen Übergriffen in Bonn und Düsseldorf versammelten sich am Donnerstag in Bonn nach Angaben der Polizei rund 500 Menschen zum "Tag der Kippa". In Düsseldorf demonstrierten am Donnerstagabend 300 Menschen gegen Antisemitismus.
Nach Attacke auf Professor
Der "Tag der Kippa" war laut Angaben der Stadt Bonn ursprünglich für November diesen Jahres geplant. Er wurde nach einem Angriff auf den jüdischen US-Wissenschaftler Yitzhak Melamed vorgezogen. Der Vorfall, bei dem ein 20-Jähriger mit palästinensischen Wurzeln in der vergangenen Woche dem Forscher die Kippa vom Kopf geschlagen und ihn bedrängt hatte, sorgte bundesweit für Schlagzeilen - auch, weil die Polizei anfangs Opfer und Täter verwechselte. Eine zur Hilfe gerufene Polizeistreife verwechselte den Professor mit dem Angreifer und schlug ihn nach Angaben des Professors und nach Berichten von Augenzeugen brutal zu Boden. Der Angreifer wurde wenig später gefasst.
In der Düsseldorfer Altstadt hatte sich ebenfalls ein offenbar antisemitischer Übergriff auf einen jungen Mann ereignet. Am späten Freitagabend war ein 17-Jähriger mit Kippa offenbar aufgrund seiner jüdischen Religionszugehörigkeit von einer etwa zehnköpfigen Gruppe junger Männer beleidigt und angerempelt worden.
Düsseldorfer Oberrabbiner: "Rote Linie verschoben"
Am Düsseldorfer Heinrich-Heine-Platz verurteilte Volker Neupert vom Bündnis "Respekt und Mut" die Tat in der Altstadt als "feigen und widerwärtigen antisemitischen Übergriff". Mit der Mahnversammlung, bei der die meisten männlichen Teilnehmer eine bereitliegende Kippa aufsetzten, forderte Neupert, "Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft der Welt" zu zeigen und gegen solche antisemitischen Übergriffe Stellung zu beziehen.
Der Düsseldorfer Oberrabbiner Raphael Evers bedauerte bei der Veranstaltung, mit dem Übergriff auf den jüdischen Jugendlichen sei "eine rote Linie verschoben" worden. Die Tat sei zugleich ein Zeichen dafür, "dass die Angst und das Misstrauen vor dem anderen noch nie so groß gewesen ist, wie heute".
Die Theologin Bahr sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die jüngsten antisemitischen Vorfälle in Deutschland, es würde helfen, wenn alle Menschen auf judenfeindliche Äußerungen achten und widersprechen, statt sich auf die Zunge zu beißen. "Denn das Fatale ist, dass es nicht beim Sprechen bleibt, sondern dass daraus ein Handeln folgt", sagte die hannoversche Landessuperintendentin und frühere Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Lückenlose Untersuchung des Polizeieinsatzes
Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU), der zu der Solidaritätskundgebung mit der jüdischen Gemeinde auf dem Marktplatz eingeladen hatte, sagte, er schäme sich für die Geschehnisse. Er forderte zudem die lückenlose Untersuchung des Polizeieinsatzes. Der Gastprofessor hatte die unverhältnismäßige Brutalität des Einsatzes kritisiert. Die Bonner Polizei hatte am Montag Disziplinarverfahren gegen die vier beteiligten Beamten eingeleitet.
Die Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bonn, Margaret Traub, sagte: "Eine Demokratie, in der Juden diffamiert werden, schwächelt in ihren Grundwerten." Sie dankte "allen, die uns Mut und Kraft in düsteren Zeiten spenden". Und weiter: "Es ist genug. Wir können es nicht mehr ertragen, dass wir angefeindet werden, nur weil wir Juden sind" Der Vorfall in Bonn reihe sich in eine Serie ähnlicher Vorfälle in Deutschland in der jüngsten Zeit. "Ich erwarte von der Politik, dass unsere Kinder hier angstfrei die Kippa tragen können."
Martin Frick vom Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) lobte das Engagement der Bonner. Religionsfreiheit und religiöse Toleranz stünden im Zentrum der Universellen Erklärung der Menschenrechte und bildeten die Basis der Arbeit der Vereinten Nationen. "Darum freuen sich die UN-Organisationen in Bonn über die Initiative der Stadt und unterstützen sie aus tiefer Überzeugung."
Solidaritätsbekundung von Wissenschaftsverbänden
Auch die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung zum Bonner "Tag der Kippa" Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Diskriminierung. Die Organisationen fügten hinzu, Wissenschaft und Forschung setze Freiheit und Weltoffenheit voraus.
Viele Teilnehmer der Kundgebung auf dem Marktplatz der Bundesstadt trugen zum Zeichen der Solidarität mit ihren jüdischen Mitbürgern eine Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung männlicher Juden zu Gottesdiensten und im Alltag. Die jüdische Gemeinde stellte hierzu eigens 250 Kippot zur Verfügung. Auch israelische Flaggen und Transparente gegen Rassismus wurden geschwenkt. (KNA)