Kölner Weihbischof Steinhäuser berichtet aus Bolivien

"Ein harter antikirchlicher Kurs"

Bolivien ist ein Land der Kontraste zwischen Hochland und Tiefland, zwischen Arm und Reich, zwischen Indigenen und Nachkommen der spanischen Eroberer von einst. Der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser hat sich auf die Suche nach Katholiken gemacht. 

Weihbischof Steinhäuser in Bolivien (Adveniat)
Weihbischof Steinhäuser in Bolivien / ( Adveniat )

DOMRADIO.DE: Bolivien ist bis heute auch ein katholisch geprägtes Land. Einen Eindruck davon hat sich gerade eine Delegation des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat gemacht. Sie waren zuerst in Santa Cruz im Tiefland und haben sich dann sozusagen hochgearbeitet von Cochabamba auf 2558 Meter bis nach El Alto auf über 4000 Meter. Sind Sie da nicht höhenkrank geworden?

Steinhäuser: Nein. Aber es war sicher richtig, dass in dieser Reihenfolge anzulegen. Da konnte sich der Körper ein bisschen auf die Höhe einstellen.

DOMRADIO.DE: Bolivien ist ja überwiegend katholisch, aber viele Indigene haben auch ihre eigenen Traditionen und Überzeugungen. Inkulturation nennt man das. Was haben Sie davon mitbekommen?

Steinhäuser: Bolivianer geben zu etwa 80 Prozent an, katholisch zu sein. Es gibt neben der katholischen Kirche eine größere Bewegung durch Freikirchen, was ein bisschen aus dem nordamerikanischen Raum kommt. Die graben ja überall in Lateinamerika der katholischen Kirche etwas das Wasser ab. Wer katholisch ist, ist nicht einfach so katholisch, wie wir uns das im Rheinland vorstellen. Es gibt eine eine Volksfrömmigkeit. Das ist eine intensive Marienfrömmigkeit und Heiligenverehrung. Da sind aber auch frühere indianische Gottheiten getauft worden. Da leben bestimmte Traditionen fort. Auch die Vorstellung der Mutter Erde als eine personifizierten Gottheit spielt eine wichtige Rolle. Also ein Entscheidungschristentum, wie wir uns das bei uns wünschen, findet sich da bei der Urbevölkerung oder indianischen Bevölkerung weniger. Die machen mit. Die feiern ihre Feste. Die empfangen auch die Taufe und die Sakramente. Aber das ist doch ein ein gutes Stück anders als wir das kennen.

DOMRADIO.DE: Ein Schwerpunkt Ihrer Reise war auch die Bewahrung der Schöpfung. Auch da engagiert sich die katholische Kirche in Bolivien stark. Das ist ein ganz wichtiges Thema im Land. Inwiefern?

Steinhäuser: Bolivien ist eigentlich ein armes Land und ein kleines Land von der Bevölkerung her. Klein nicht im geografischen Sinne, es ist dreimal so groß wie Deutschland, aber von der Wirtschaftskraft her. Und Bolivien hat jetzt den Anspruch zu einem Energiezentrum für Südamerika zu werden. Sie möchten riesige Staudämme bauen, möchten Elektrizitätswerke bauen und würden am liebsten diesen Strom dann nach Brasilien verkaufen. Unklar ist, ob die Brasilianer den überhaupt wollen. Unklar ist, ob das gebraucht wird. Klar ist nur, dass die Firmen, die es errichten werden, daran verdienen. Das sind große Bauvorhaben auch im Tiefland und die Bevölkerung des Tieflandes wehrt sich dagegen. Das sind weitgehend Menschen indigenen Ursprungs. In Bolivien gibt es mehr als 50 Prozent Indigene. Und die fühlen sich jetzt nicht gefragt und nicht berücksichtigt. Und sie fürchten natürlich, dass ihr Land und ihre Lebensbedingungen zerstört werden.

DOMRADIO.DE: Damit hängt ein Erbe der Indigenen in Bolivien zusammen, nämlich der Lebensstil des "guten Lebens". Was haben Sie darüber erfahren und könnten wir Europäer uns da vielleicht sogar etwas abgucken?

Steinhäuser: Man könnte es katholisch als "Leben in Fülle" übersetzen. Das gute Leben ist ein Wert, der in der neuen bolivianischen Verfassung verankert ist. Das heißt im Grunde: Ein Leben in Übereinstimmung mit der Natur und in Beachtung der Natur und ihrer Ressourcen.

DOMRADIO.DE: Was haben Sie sich als Erkenntnis mitgebracht von diesem Ausflug ans andere Ende der Welt?

Steinhäuser: Das ist schwer auf wenige Formeln zusammenzubringen. Es ist ein Land in großen Umbrüchen. Ein Land großer Spannungen. Sie haben eine starke Migrationsbewegung vom Hochland ins Tiefland, da drohte auch schon mal eine Spaltung des Landes. Das Tiefland ist eigentlich reicher als das Hochland. Der jetzige Präsident Evo Morales ist ein Indigener, er stammt aber von den Almaras im Norden. Und nachdem er zuerst viel getan hat, um für die Würde der indigenen Menschen einzutreten und eine ausgezeichnete Verfassung mit vielen erarbeitet hat, geht es ihm jetzt primär um Machterhalt. Und er bedient recht geschickt eine bestimmte Klientel und die anderen fallen raus aus dem Rahmen. Kirche ist für ihn eine Insitution in der Folge der Kolonialherrschaft. Aber er versucht sich als guter Freund von Papst Franziskus zu zeigen. Er fliegt oft nach Rom. Es gibt viele Fotos, viele Umarmungen. Im Land fährt er aber einen relativ harten antikirchlichen Kurs.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Weihbischof Steinhäuser (Mitte) in Bolivien (Adveniat)
Weihbischof Steinhäuser (Mitte) in Bolivien / ( Adveniat )

Weihbischof Steinhäuser in Bolivien (Adveniat)
Weihbischof Steinhäuser in Bolivien / ( Adveniat )

Graffiti in El Alto / © Achim Pohl (Adveniat)
Graffiti in El Alto / © Achim Pohl ( Adveniat )

Markt in El Alto / © Achim Pohl (Adveniat)
Markt in El Alto / © Achim Pohl ( Adveniat )
Quelle:
DR