DOMRADIO.DE: Hitze, Dürre, Trockenheit: War das zu früheren Zeiten im Heiligen Land eine Alltäglichkeit allein schon aus geografischen Gründen?
Dr. Fleischer (Leiter der erzbischöflichen Bibel- und Liturgie Schule, Köln): So ist das. Israel ist wahrlich nicht verwöhnt vom Klima. Es gibt ja nur das kleine Rinnsal des Jordans, der schon damals kein riesiger Fluss war. Es gab also kaum eine sichere natürliche Bewässerung. Deswegen war man abhängig von den Regenfällen, die sich nur auf wenige Monate beschränken. Und wenn die nicht fielen, war das Land in Not und das konnte jederzeit passieren.
DOMRADIO.DE: Wie spiegeln sich denn nun diese Dürre-Erfahrungen im Alten Testament wider?
Dr. Fleischer: Ein großes Problem sind natürlich die Folgen der Dürre für die Familien. Man war eigentlich ein Selbstversorger. Und wenn die Dürre kam, hatte man oft nicht genügend Korn, um seine Familie am Leben zu halten. Hinzu kam, dass die Bauern Abgaben leisten mussten, weil der ganze Beamtenapparat versorgt werden musste. Das wurde zwangsweise eingetrieben und fiel dann auch weg. Das wiederum führte dazu, dass die Menschen auch nicht mehr genug Saatgut hatten für das kommende Jahr. Das musste eingekauft werden. Und dadurch musste man sich oft verschulden. Solche Situationen wurden dann missbraucht, um Andere in Abhängigkeiten zu bringen und Großgrundbesitz zu schaffen. Neben diesen Abhängigkeiten und dem Hunger gab es dann natürlich die darauf folgenden Fluchtbewegungen (zur Artikelreihe Flucht und Vertreibung im Alten Testament).
DOMRADIO.DE: Gibt es da Geschichten, aus denen man heute lernen könnte?
Dr. Fleischer: In dem Zusammenhang ist ganz sicherlich die Josefgeschichte zu nennen. Dieser Josef hatte sieben fette und sieben dürre Jahre hervorgesagt für den ganzen Vorderen Orient. Und für diese mageren Jahre wollte er vorbauen, weniger essen, weniger ausgeben, also eine Bevorratungspolitik betreiben. Und er sollte recht behalten.
DOMRADIO.DE: Die Menschen im Neuen Testament haben ja in der gleichen Gegend gelebt, hatten die gleichen klimatischen Bedingungen. Wie sieht es da aus?
Dr. Fleischer: Das wird nicht wesentlich anders gewesen sein. Was wir auf jeden Fall wissen, ist, dass wenn ein römischer Soldat in die Provinz Judäa versetzt worden ist, hat er geflucht. Das war im Grunde wie eine Strafversetzung. Judäa war wegen dieser enormen klimatischen Belastung, die die Römer so gar nicht kannten, der unbeliebteste Posten. Trotzdem spielt das Thema Dürre im Neuen Testament vor allem hintergründig eine Rolle: Wenn Jesus von sich sagt, er sei das Wasser des Lebens und überhaupt das Wasser thematisiert, dann wird das besonders nachvollziehbar, weil man weiß, wie lebensnotwendig und wenig selbstverständlich das Wasser dieser Region war.
DOMRADIO.DE: Wenn wir das im Hinterkopf haben, kann uns denn der Blick auf das Alte und auf das Neue Testament dabei helfen, gelassener mit dem umzugehen, was wir gerade an Hitze und Trockenheit erleben?
Dr. Fleischer: Ich würde im Grunde zwei Dinge daraus ziehen: Eine größere Gelassenheit, weil die Phasen ganz offensichtlich zu unserem Leben mit dazu gehören, auf die wir keinen Einfluss haben. Noch wichtiger aber: Gerade, weil wir wissen, dass es sie gibt, müssen wir auch schon immer vorausdenken und schauen, was man im Voraus jetzt schon tun könnte. Ganz im Sinne der Bevorratungspolitik, die Josef vorschlägt. Wie die heute aussehen könnte, müssen Fachleute beurteilen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.