Ins Geschäft gehen und mit einem Blick auf ein Kleidungsstück sofort erkennen, ob es nachhaltig hergestellt wurde: So einfach könnte es sein. Doch die Realität sieht in der Regel anders aus. Es gibt eine Vielzahl von Siegeln und Labeln, die mal glaubwürdiger sind und mal weniger glaubwürdig.
An diesen Schwierigkeiten ändert aus Sicht von Verbraucherschützern auch das Textilbündnis bislang wenig bis gar nichts, das Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vor vier Jahren als Reaktion auf den dramatischen Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch auf den Weg brachte. Und das nun von rund 60 der 128 Mitglieder konkrete Maßnahmepläne für fairer produzierte Kleidung vorgelegt hat.
Zu wenige Infos für eine Kaufentscheidung
"Das Textilbündnis ist noch nicht auf dem Stand, dass es wirklich einen Nutzen für den Verbraucher bringt", sagt die Expertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands für nachhaltigen Konsum, Kathrin Krause. Informierte Konsumenten, die gerne mehr wissen wollten über ein Unternehmen oder eine Marke, könnten zwar in die Veröffentlichungen des Bündnisses schauen.
Dort ist dann etwa zu lesen, dass Adidas 100 Prozent nachhaltige Baumwolle verwenden möchte wohingegen KiK den Anteil nachhaltiger Baumwolle auf 0,45 Prozent steigern will. Die Angaben reichten aber nicht aus, um eine wirklich informierte Kaufentscheidung zu treffen, kritisiert Krause. Zudem sei das Textilbündnis noch zu unbekannt.
Branchengrößen fehlen
Zu den Mitgliedern zählen zwar auch viele bekannte Unternehmen, doch aktiv mit seiner Teilnahme wirbt kaum jemand. Manche Branchengrößen wie Zalando oder Inditex (Zara und andere) fehlen zudem. Zwischenzeitlich zählte das Bündnis sogar rund 200 Mitglieder. Dutzende kleinere waren aber wieder ausgetreten oder mangels verbindlicher Zielvorgaben ausgeschlossen worden. Der Marktanteil der verbliebenen Unternehmen soll weiterhin bei rund 50 Prozent liegen.
Die Verbraucherschützerin fordert - wie zum Beispiel auch die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland oder die Grünen im Bundestag - nachprüfbare Standards. "Wir brauchen gesetzliche Mindestanforderungen für sozial- und ökologisch verantwortungsvolle Produktion, im besten Fall auf europäischer Ebene nach dem Vorbild der Öko-Verordnung für Lebensmittel", sagt Krause.
Siegel mit Sicherheiten
Das staatlich kontrollierte und weit verbreitete Bio-Siegel für Lebensmittel gilt gemeinhin als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Kennzeichnung von Produkten. Es definiert Mindeststandards, die Hersteller einhalten müssen, damit sie "bio" oder "öko" auf die Verpackung schreiben dürfen.
Um Verbrauchern mehr Orientierung zu bieten, hat Minister Müller die Einführung eines sogenannten "Grünen Knopfs" zu einem seiner Ziele für diese Wahlperiode gemacht. Schon im kommenden Jahr soll es losgehen. Das Siegel soll "mit hundertprozentiger Sicherheit" garantieren, dass Produkte fair und nachhaltig hergestellt wurden. Ob die neue Kennzeichnung am Ende etwas bringt oder den Siegel-Dschungel nur noch unübersichtlicher macht, hängt von der Ausgestaltung ab.
Weg von selbst definierten Standards
"Ein 'Grüner Knopf' muss gesetzlich verankert werden", fordert Krause. "Begriffe wie 'ökologisch' oder 'nachhaltig produziert', müssen rechtlich geschützt werden." Das könnte gegen das sogenannte "Greenwashing" - den lediglich grünen Anstrich - manches Akteurs helfen. Denn Unternehmen dürften die werbewirksamen Begriffe dann nicht mehr - wie derzeit - mit zum Teil blumigen Erklärungen oder auf Grundlage selbst definierter Standards nutzen.
Viele Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie lehnen Müllers Idee unterdessen bislang ab. Sie sorgen sich um den Wettbewerb oder entstehende Kosten für Dokumentation und Kontrolle.Verbraucher können sich auch heute schon an manchen Siegeln auf Textilprodukten orientieren: Verbraucherschützer empfehlen besonders das Logo des "Global Organic Textile Standard" (Globaler ökologischer Textil-Standard), erkennbar am weißen Hemd auf grünem Grund, oder den roten Kleiderbügel der Fair Wear Foundation.