DOMRADIO.DE: Was war denn Ihre erste Reaktion als Sie von diesem Fall erfahren haben?
Wolfgang Ipolt (Bischof von Görlitz): Ich war natürlich äußerst verwundert darüber, dass heute so etwas noch möglich ist, dass ein Mitarbeiter des LKA Journalisten oder die Kameraleute des ZDF verbal attackiert. Das steht unserer Gesellschaft nicht gut zu Gesicht und das ist auch kein Stil.
Selbst wenn man irgendwas gegen eine Filmaufnahme hat, kann man das anders regeln. Das hat mich schon sehr verwundert, muss ich sagen. Vor allen Dingen war es auch ein Besuch der Kanzlerin mit einer großen Öffentlichkeit.
DOMRADIO.DE: Pressefreiheit ist in Deutschland ein sehr hohes Gut, auch wenn die katholische Kirche in der Berichterstattung nicht immer im besten Licht erscheint. Sie sind als DDR-Bürger aufgewachsen. Was bedeutet denn für Sie persönlich die Pressefreiheit?
Ipolt: Das ist wirklich ein ganz hohes Gut, für das wir heute – in der Bundesrepublik lebend – dankbar sein können. Deswegen ist dieses Gut auch wirklich zu schützen. Ich kenne auch andere Zeiten. Zeiten, in denen wir wussten, dass das, was in der Zeitung steht oder was verkündet wird, nicht immer der Wahrheit entspricht.
Für umso wichtiger halte ich die Pressefreiheit und umso dankbarer bin ich, dass das heute normalerweise anders ist. Wiewohl man auch immer sagen muss, die Pressefreiheit muss von beiden Seiten verantwortlich gebraucht werden. Verantwortlich von den Journalisten und auch natürlich von denen, die das lesen, die das verarbeiten. Ein hohes Gut heißt zugleich auch immer hohe Verantwortung.
DOMRADIO.DE: Nun geht es hier wieder um einen Fall von rechtem Gedankengut in Sachsen. Und selbst der Ministerpräsident hat mit seiner Reaktion, die Polizei habe ordnungsgemäß gehandelt, weitere Empörung ausgelöst. Was meinen Sie, reicht der Arm von Pegida wirklich in so hohe Kreise und warum taucht so etwas wieder in Sachsen auf?
Ipolt: Ich kann das nicht ganz beantworten, weil für mich diese Pegida-Bewegung immer noch nicht ganz durchschaubar ist. Ich muss sagen, hier in unserem Bistum Görlitz, das ja nur ein Teil von Sachsen abdeckt, spielt diese Bewegung keine Rolle. Sie ist eher im Dresdner Raum angesiedelt.
Das ist ein diffuses Aufbegehren von Leuten und es erstaunt mich, dass das so lange anhält. Es hat sicher etwas mit der Unsicherheit mancher Menschen zu tun, mit Fremden umzugehen. Es geht auch immer in dieser Pegida-Bewegung um die Aufnahme von Flüchtlingen. Es geht darum, dass sich bestimmte Dinge auch in unserer Gesellschaft ändern. Das ist in irgendeiner Form eine Sehnsucht nach Sicherheit in einer pluralen Gesellschaft, die es natürlich so, wie das gefordert, erwartet oder erhofft wird, nicht geben wird.
Wahrscheinlich sind Menschen in dieser Pegida-Bewegung, die mit der Unübersichtlichkeit unserer Gesellschaft nicht klarkommen und sich dann zusammenschließen. Dann kommt es manchmal auch zu solch seltsamen Ausbrüchen, die man natürlich nicht tolerieren kann.
DOMRADIO.DE: Ist dies auch ein Thema in den verschiedenen Gemeinden oder lässt man das irgendwie links liegen?
Ipolt: Ich kann jetzt nur für unser Bistum sprechen. Da spielt das eine relativ geringe Rolle. Es wird manchmal davon erzählt. Aber wenn mir Gläubige in den Gemeinden bei meinen Besuchen davon berichten, dann meistens mit Unverständnis. Sie haben aber letztlich auch keine Antwort darauf.
DOMRADIO.DE: Wie sieht das denn aus ihrer Sicht aus? Kann man sich überhaupt als Katholik engagieren und gleichzeitig Mitglied in der AfD sein oder bei Pegida mitlaufen?
Ipolt: Das ist eine schwierige Frage, weil wir natürlich wissen, dass es sowohl in der AfD als auch bei der Pegida-Bewegung, also beispielsweise bei den Demonstrationen dort in Dresden, auch Katholiken gibt. Das sind Mitglieder unserer Kirche, für die ich auch als Bischof Verantwortung habe.
Ich würde auch versuchen, sollte es zu Gesprächen kommen oder sollten die gewünscht sein, immer im Gespräch miteinander zu bleiben. Denn nur ein Dialog ermöglicht es, sich auszutauschen und Korrekturen einzubringen. Ich würde mich hüten, jetzt als Bischof Verbote auszusprechen. Ich würde eher versuchen zu helfen, dass diese Menschen, die dort irgendwo eine Zuflucht suchen, aus was für Gründen auch immer, auch bereit sind, ihre Meinung zu ändern. Ich würde schon mit ihnen ein ernsthaftes Gespräch führen.
Bisher ist mir noch keiner begegnet, das muss ich letztlich auch sagen. Also einer, der sich wirklich vorgestellt hat: "Ich bin katholisch und Mitglied der AfD." In meiner Diözese ist das noch nicht vorgekommen.
DOMRADIO.DE: Also am Sonntag Gottesdienst feiern und am nächsten Abend bei Pegida mitmarschieren, das ist ein Gegensatz?
Ipolt: Das ist richtig. Ja, das muss man den Leuten klarmachen. Das ist ein Widerspruch und das können wir auch letztlich als Christen nicht verantworten.
DOMRADIO.DE: Manchen Pfarrer oder Kaplan wird es sicherlich in den Fingern jucken, über das Thema am Sonntag zu predigen. Würden Sie das befürworten oder gehört das Ihrer Meinung nach nicht auf die Kanzel?
Ipolt: Die Verkündigung in der Heiligen Messe ist eine Rede eigenen Couleurs. Und zwar geht es da immer um das Evangelium. Es geht um die Botschaft unseres Glaubens. Dass es da Beispiele aus der Wirklichkeit geben kann oder sogar soll, ist selbstverständlich.
Aber ich würde nicht sagen, dass die Predigt eine politische Rede sein sollte. Das erwarten die Leute auch nicht. Die Leute erwarten aus meiner Sicht eine Hilfe – auch mit Hilfe der Botschaft unseres Glaubens – wie sie mit dieser aktuellen Situation umgehen können, wie sie lernen können, sich selbst ein Urteil zu bilden.
Natürlich hat die Predigt insofern auch den Charakter einer Gewissensbildung, eines Nachfragens, eines Suchens. Aber ich würde mich sehr hüten, politische, aktuelle Themen dort zum Thema zu machen.
Das Interview führte Jan Hendrik Stens.