Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) haben die von Rechtsextremisten provozierten Ausschreitungen in Chemnitz verurteilt. Kretschmer sagte am Dienstag, die politische Instrumentalisierung einer tödlichen Gewalttat durch Rechtsextremisten sei abscheulich. "Wir setzen das Gewaltmonopol des Staates durch", kündigte er an. Merkel erklärte, Hetzjagden und Zusammenrottungen in Chemnitz, wie sie in Videoaufnahmen zu sehen seien, hätten "mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun". Sie betonte: "Es darf auf keinem Platz und keiner Straße zu solchen Ausschreitungen kommen."
Bei neuen Krawallen waren am Montagabend 20 Menschen verletzt worden. Es handele sich um 18 Demonstranten und zwei Polizisten, teilte die Polizei mit. Insgesamt seien 43 Anzeigen aufgenommen worden, unter anderem wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Körperverletzungen und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Die Polizei war den Angaben zufolge mit 591 Beamten im Einsatz. Sie hatte noch am Montagabend eingeräumt, dass zu wenig Personal vor Ort war.
Bei den von der Partei Die Linke und der rechten Bürgerbewegung "Pro Chemnitz" für Montagabend angemeldeten Demonstrationen waren 500 beziehungsweise 1.000 Teilnehmer angegeben worden. Laut Polizei kamen aber tatsächlich 1.000 Teilnehmer, bei der rechtsgerichteten Demonstration sogar rund 6.000. Die Ermittlungen zu den Ausschreitungen am Sonntag und Montag übernahm das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum des sächsischen Landeskriminalamts.
Seehofer: Mitgefühl für Angehörige des Todesopfers
Merkel bekräftigte das Angebot von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Sachsen polizeiliche Unterstützung durch den Bund zu gewähren. Sollte das Bundesland Hilfe benötigen, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten, stehe der Bund bereit, "damit wir den Rechtsstaat auch im vollen Umfang durchsetzen können". Seehofer drückte am Dienstag den Angehörigen des Opfers der Messerattacke sein in Chemnitz Mitgefühl aus. "Ich bedauere diesen Todesfall zutiefst. Die Betroffenheit der Bevölkerung hierüber ist verständlich", erklärte der CSU-Vorsitzende. Das dürfe aber keine gewalttätige Ausschreitungen rechtfertigen. Der gewaltsame Tod eines 35-Jährigen in der Nacht zum Sonntag war Auslöser der Demonstrationen, bei denen zum Teil gegen Ausländer gehetzt und der Hitlergruß gezeigt wurde.
Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte, Rechtsextremismus sei "nicht nur eine Bedrohung von Menschen anderer Herkunft, sondern eine Gefährdung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaften". Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, forderte mehr Engagement gegen Rechts. Angesichts der Häufung solcher Vorfälle gerade in Sachsen dürfe man nicht mehr von Einzelfällen sprechen, sagte er dem Evangelischen Pressedienst.
Ostbeauftragter fordert Unterstützung für Sachsen
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), fordert nach den Ausschreitungen von Chemnitz rasche Konsequenzen. "Der Rechtsstaat muss in jeder Richtung klare Haltung zeigen, bei der Verfolgung von schwersten Straftaten wie Tötungsdelikten ebenso wie bei der Bekämpfung von Extremismus, Rassismus und bei der Ahndung von Hitlergrüßen", sagte Widmann-Mauz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Mittwoch). "Gewalt hat in unserem Land keinen Platz - genauso wenig wie Hetze und Selbstjustiz."
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), verurteilte die Eskalationen und rief zur Unterstützung für Sachsen auf. "Eine Tat wie in Chemnitz darf nicht dazu führen, dass ein Mob versucht, den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen", sagte Hirte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). Er sei überzeugt, dass auch die breite Mehrheit der Sachsen diese Eskalation abstoßend und beschämend finde. "Niemand sollte aus der schnellen Empörung heraus über einem ganzen Bundesland und seinen Bürgern den Stab brechen."
Bischof Timmerevers: Straftat rechtfertigt keine volksverhetzenden Demos
Dresdens katholischer Bischof Heinrich Timmerevers verurteilte ebenfalls die gewaltsamen Ausschreitungen. "Eine Straftat darf nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen ganze Volksgruppen Wut zu schüren - das gilt erst recht, wenn diese Straftat noch nicht vollständig aufgeklärt ist", sagte Timmerevers auf Anfrage. Eine Straftat könne niemals rechtfertigen, dass sich Bürger zu fremdenfeindlichen, menschenverachtenden und volksverhetzenden Demonstrationen zusammenrotteten.