Katholische Kirche will für Begegnungen und Diskussionen sorgen

"Wir müssen das Salz der Erde sein"

In Chemnitz ist ein Mann erstochen worden, tatverdächtig sind ein Syrer und ein Iraker. Rechtsextreme reagierten mit schweren Ausschreitungen. Was kann die Kirche in dieser Situation tun?

Am Tatort in Chemnitz / © Jan Woitas (dpa)
Am Tatort in Chemnitz / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Erklärung für die Szenen, die sich da auf den Straßen in Chemnitz abgespielt haben?

Diakon Daniel Frank (Leiter Katholisches Büro Sachsen): Die Geschehnisse und Ausschreitungen, die in Chemnitz stattgefunden haben, machen uns natürlich als Kirche sehr betroffen und lösen auch eine große Besorgnis aus. Die tödliche Messerstecherei in der Nacht zum Sonntag stellt eine Straftat dar, die noch aufzuklären und mit rechtsstaatlichen Mitteln zu ahnden ist. Die Straftat kann aber niemals rechtfertigen, dass Bürger sich zu fremdenfeindlichen, menschenverachtenden und volksverhetzenden Demonstrationen zusammenrotten. Eine Straftat darf nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen ganze Volksgruppen zu hetzen. Das gilt erst recht, wenn diese Straftat noch nicht einmal vollständig aufgeklärt ist.

DOMRADIO.DE: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat die Ausschreitungen auch scharf verurteilt. Er sagt, die politische Instrumentalisierung durch Rechtsextremisten sei abscheulich. Was sagt die katholische Kirche dazu?

Frank: Aus christlicher Sicht kann Gewalt niemals Antwort auf Gewalt sein. Unsere Antwort als katholische Kirche auf diese Geschehnisse kann nur in den Versuchen einer Befriedung bestehen. In unseren Gemeinden und in unseren Vereinen bieten wir schon Foren der Begegnung an – damit vermittelt werden kann.

DOMRADIO.DE: Was kann die Kirche tun, damit wieder Frieden einkehrt?

Frank: Ich denke, es ist Aufgabe der Kirche, dass sie zum Frieden mahnt, dass sie Veranstaltungen anbietet, in denen Menschen in Kontakt kommen und miteinander sprechen können. Wo Menschen natürlich ihre Sorgen und Ängste ausdrücken, aber sich auch mit Menschen anderer Volksgruppen aussprechen können. Es muss in unseren Gemeinden ein Klima herrschen, wo wir uns auf Augenhöhe begegnen, wo wir achtungsvoll miteinander umgehen, wo wir Gastfreundschaft üben, wo Vorurteile abgebaut werden können. Ich denke, die Hauptaufgabe für uns als Kirche besteht darin, Räume und Orte anzubieten, wo Menschen zusammenkommen und ins Gespräch kommen und einen Dialog miteinander führen können.

DOMRADIO.DE: Jetzt muss man es natürlich schaffen, diese Sorgen der Menschen anzusprechen. Momentan sieht es ja so aus, dass die sich mit ihren Sorgen eher politisch abwenden. Eine Umfrage hat jetzt ergeben, dass 25 Prozent der Sachsen die AfD wählen würden, wenn jetzt Wahl wäre. Erfüllt Sie das mit Sorge?

Frank: Natürlich erfüllt uns das mit Sorge, weil wir es als neue große gesellschaftliche Aufgabe sehen, in unserer Gesellschaft den Zusammenhalt zu stärken. Es geht darum, gemeinsam Konzepte dafür zu entwickeln, wie wir in zehn, 50 oder 70 Jahren leben werden. Es geht darum, Sorgen und Ängste abzubauen. Da tut es nicht gut, wenn Strömungen an Fahrt gewinnen, die die Ängste schüren.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat die Kirche ja wirklich eine klare Botschaf: Sie kritisiert Formen von Fremdenfeindlichkeit jeglicher Art und fremdenfeindliche Hetze. Aber auf Sachsen bezogen: Es gibt wenige evangelische oder katholische Christen. Wie erreichen Sie die Menschen?

Frank: In Sachsen liegt die Anzahl der evangelischen Christen bei etwa 20 Prozent, die der katholischen bei vier Prozent. Das heißt aber nicht, dass wir nichts tun können. Vom Evangelium ist uns gesagt, "Salz der Erde" zu sein. Und Salz hat die Eigenschaft, dass wenig viel bewirken kann. Es muss also unsere Aufgabe sein, dass wir uns dafür einsetzen, dass diese Gesellschaft nicht durch Ängste den Geschmack am Leben verliert und das können wir, indem wir auch Angebote schaffen, zu denen wir die gesamte Bevölkerung einladen. Die Katholische Akademie zum Beispiel führt solche Angebote in ihrem Programm, wo Menschen ins Gespräch und die Diskussion miteinander kommen.


Quelle:
DR