Deutschland übergibt Überreste von Herero und Nama an Namibia

Gottesdienst und Politikum

Es geht um mehr als "nur" Knochen. Wenn am Mittwoch Gebeine aus dem einstigen Deutsch-Südwestafrika an Namibia zurückgegeben werden, steht auch die Frage im Raum, wie Deutschland künftig mit dem kolonialen Erbe umgeht.

Autor/in:
Joachim Heinz
Ein Friedhof für hochrangige Führer der Volksgruppe der Herero in Okahandja (Namibia) / © Gioia Forster (dpa)
Ein Friedhof für hochrangige Führer der Volksgruppe der Herero in Okahandja (Namibia) / © Gioia Forster ( dpa )

Nach mehr als 100 Jahren sollen sie endlich ihre letzte Ruhe finden: Knochen, Schädel und andere menschliche Überreste von Herero, Nama, Ovambo und San aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika.

Von den Kolonialherren unter anderem zu pseudowissenschaftlichen Rasseforschungen ins Kaiserreich gebracht, werden sie am Mittwoch einer Delegation aus Namibia übergeben. Zuvor soll am Ort des Geschehens, in der Französischen Friedrichstadtkirche im Zentrum Berlins, ein Gottesdienst stattfinden, organisiert von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Rat der Kirchen in Namibia.

Es war Völkermord

Bereits zweimal hat es ähnliche Rückführungen gegeben, aber so etwas wie Routine will sich nicht einstellen. Dazu ist die Vorgeschichte zu düster und die aktuelle politische Lage zu komplex. Von 1884 bis 1919 war das heutige Namibia eine Kolonie der Deutschen. Die Kolonialherren aus Europa beuteten, wie andernorts auch, das Land aus, Widerstände der Einheimischen erstickten sie mit Waffengewalt.

Besonders brutal gingen Truppen in Deutsch-Südwestafrika von 1904 bis 1908 gegen einen Aufstand der um ihren Landbesitz fürchtenden Herero und Nama vor. Das Geschehen bezeichnen Wissenschaftler und Politiker inzwischen übereinstimmend als Völkermord.

Religion als 

Die Rückgabe von Gebeinen, mögen sie nun unmittelbar aus dieser blutigen Auseinandersetzung stammen oder seinerzeit auf anderen Wegen nach Deutschland gekommen sein, ist deswegen nur ein Aspekt des Themas. Dahinter steht die Frage der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit – und der möglichen Konsequenzen für die Bundesrepublik als Nachfolgestaat des Kaiserreichs.

Kritiker wie Christian Kopp vom Bündnis "Völkermord verjährt nicht" werfen der Bundesregierung vor, der politischen und juristischen Auseinandersetzung auszuweichen, indem sie die Übergabezeremonie in den religiösen Raum verlagere. "Der passendere Ort wäre der Bundestag gewesen, wo sich Deutschland endlich entschuldigen muss."

Nicht jeder darf am Gedenken teilnehmen

Das Bündnis ruft deswegen am Mittwoch zu einer Mahnwache vor der Kirche auf. Namibias Botschafter Andreas Guibeb sorgte sich daraufhin um den "feierlichen und würdigen" Charakter der Zeremonie. Er schloss vorsorglich mehr als 40 Bündnis-Mitgliedern von dem offiziellen Gedenken aus – obwohl Kopp betont, es sei nie beabsichtigt gewesen, die Übergabe in irgendeiner Form zu stören. Für ihn zeigt die Reaktion des Botschafters eine "unglaubliche Nervosität" bei den Verantwortlichen.

Das Auswärtige Amt, dessen Staatsministerin für internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering die Übergabe vornehmen soll, behandelt den Akt fast wie ein Staatsgeheimnis. Trotz mehrfacher Anfrage konnte sich das Außenamt bis zum Wochenende nicht zu einer Antwort auf die Frage durchringen, um welche Überreste von wie vielen Menschen es sich handelt und aus welchen Sammlungen die Gebeine stammen. Immerhin: Am Montagnachmittag wollen Müntefering und die Leiterin der namibischen Delegation, Kulturministerin Katrina Hanse-Himarwa, vor die Presse treten.

Wiedergutmachung?

Auf Regierungsebene wird unterdessen weiter darüber verhandelt, wie die deutschen Untaten von einst wiedergutgemacht werden könnten.

Reparationen werde es nicht geben, weil die rechtlichen Grundlagen fehlten, betont der deutsche Verhandlungsführer Ruprecht Polenz (CDU) immer wieder, wohl aber «langfristige und sehr substantielle Leistungen». Der Dialog läuft seit 2014/15 und gestaltet sich auch deswegen kompliziert, weil sich einige Vertreter der Herero und Nama nicht angemessen an den Gesprächen beteiligt fühlen. Sie wollen Deutschland in den USA vor Gericht bringen - ob es tatsächlich zu einem Verfahren kommt, ist offen.

Staatsakt für sterbliche Überreste

Gleichwohl werden im Umfeld der Übergabe auch Unterstützer dieser Gruppe in Berlin sein. Am Montag wollen sie mit Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zusammentreffen. Aus Sicht des namibischen Bischofs Ernst Gamxamub ist der Gottesdienst am Mittwoch ein "deutliches Zeichen, dass wir auf dem Weg der Versöhnung unserer beiden Völker vorankommen".

Zur Ankunft der sterblichen Überreste am Freitag in Namibia ist ein Staatsakt geplant. Bei dieser Gelegenheit will Polenz mit seinem namibischen Gegenüber Zed Ngavirue auch über den weiteren Fahrplan für den Dialog auf Regierungsebene beraten. Die Debatte über den Umgang mit der deutschen Kolonialvergangenheit ist noch lange nicht beendet.


Namibia: Am 21. März 1990 den langen Weg zur Unabhängigkeit vollendet (DR)
Namibia: Am 21. März 1990 den langen Weg zur Unabhängigkeit vollendet / ( DR )
Quelle:
KNA