"Die Abwehr von Migration ist aus unserer Sicht nicht die wichtigste Frage, sondern wie es uns gelingen kann, den Menschen im Süden ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu ermöglichen", erklärte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, am Mittwoch in Bonn. Noch immer hungerten weltweit 815 Millionen Menschen, die meisten von ihnen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara und Südasien. Die SOS-Kinderdörfer forderten zudem mehr Einsatz für Bildung.
Die Welthungerhilfe erklärte, sie begrüße die Bemühungen um die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika sowie Projekte zur Förderung von Bildung und Beschäftigung insbesondere für die Jugend. "Trotzdem sollten die am wenigsten entwickelten Länder in der neuen Afrikastrategie besonders im Fokus stehen", sagte Dieckmann. Die Bekämpfung von Hunger und Armut müsse im Mittelpunkt der Gespräche von Merkel und Müller in Afrika stehen.
SOS-Kinderdörfer: "Katastrophen wären vermeidbar"
Die SOS-Kinderdörfer beklagten, dass aktuell rund 1,6 Millionen Kinder in der Sahel-Zone von Unterernährung bedroht seien. Grund sei, dass Dürreperioden im vergangenen Jahr zu massiven Ernteeinbrüchen geführt hätten. "Das Furchtbare an dieser und anderen Katastrophen ist, dass sie vermeidbar wären", sagt der Sprecher der SOS-Kinderdörfer weltweit, Louay Yassin.
Er verwies auf den Bürgerkrieg in Nordmali und die Vertreibungen durch die Terrormiliz Boko Haram in Nigeria, die dazu führten, dass etwa Felder nicht bestellt und Verkehrswege nicht gewartet würden. Zudem halte vor allem mangelnde Bildung Menschen in Armut fest, beklagte die Hilfsorganisation. Häufig würden Jungen und Mädchen von ihren notleidenden Familien zum Arbeiten geschickt, anstatt eine Schule zu besuchen.
Die Folge sei auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit in westafrikanischen Ländern. "Hier muss die internationale Staatengemeinschaft aktiv werden", betonte Yassin. "Nur wenn wir den jungen Menschen in Westafrika helfen, ihre eigene Zukunft zu gestalten, können wir Armutsmigration verhindern."
Chance auf einen grundlegenden Neuanfang
Entwicklungsminister Müller (CSU) bereist seit der vergangenen Woche unter anderem Eritrea, Äthiopien, Simbabwe, Tschad und Ghana. Auf seiner Reise hat er zu einem friedlichen Neubeginn aufgefordert.
Rund zehn Monate nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Robert Mugabe und den jüngsten Wahlen in dem südafrikanischen Land liege es nun in den Händen der neuen Regierung, die angekündigten Reformen umzusetzen, betonte Müller am Mittwoch in Harare.
Dazu gehöre, die Rechte der Opposition zu wahren, die Unabhängigkeit der Gerichte und der Pressefreiheit zu gewährleisten und Minderheiten zu schützen. "Simbabwe hat nach den Wahlen die Chance auf einen grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neuanfang", erklärte Müller laut Mitteilung seines Ministeriums. Es brauche ein klares Signal für den Wandel. "Äthiopiens neuer Premierminister zeigt, welche Dynamik sich in einem Land entfalten kann, das sich politisch und wirtschaftlich öffnet", führte der Minister an.
Müller mahnt zum Gewaltverzicht
Müller traf in Harare sowohl mit dem am Sonntag vereidigten Präsidenten Emmerson Mnangagwa als auch mit dessen Gegenkandidaten bei der Wahl vom 30. Juli, Nelson Chamisa, zusammen. Der Bundesentwicklungsminister forderte Regierung und Opposition zu Gewaltverzicht und konstruktiver Zusammenarbeit für grundlegende politische und wirtschaftliche Reformen auf. "
Der erste Schritt für einen solchen friedlichen Weg wäre es, dass die Gewalt durch Polizei und Militär, zu der es im Nachgang der Wahlen gekommen ist, restlos aufgeklärt wird", sagte er. Menschenrechtlern zufolge war die Wahl von Gewalt gegen Kritiker und Oppositionelle überschattet worden.
Mindestens sechs Menschen wurden getötet, als Anhänger der Opposition Anfang August vor dem Gebäude der Wahlkommission demonstrierten. Sicherheitskräfte gingen mit Gewalt gegen die Protestierenden vor. Die Opposition hatte gegen das Wahlergebnis geklagt und argumentiert, es sei zu Unregelmäßigkeiten und Wahlfälschungen gekommen.
Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen
Chamisas Partei, Movement for Democratic Change (MDC), hatte Beschwerde eingereicht, die aber vom Verfassungsgericht abgewiesen wurde. Der 75-jährige Mnangagwa ist der erste gewählte Nachfolger von Mugabe, der im November nach 37 Jahren an der Macht von der Armee zum Rücktritt gezwungen worden war. Er war bereits seit Mugabes Rücktritt als Übergangspräsident im Amt.
Mugabe hatte Simbabwe zunehmend autokratisch regiert und die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas heruntergewirtschaftet. Drei bis vier Millionen vor allem gut ausgebildete Simbabwer hätten in dieser Zeit das Land verlassen, sagte Müller. "Regierung und Opposition müssen jetzt gemeinsam das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen, das Land für Investitionen öffnen und neue Jobs insbesondere in der Landwirtschaft schaffen."