Mit einer Sportjacke bekleidet, Turnschuhe an den Füßen und einen Rucksack auf der Schulter - so ist Hildesheims zukünftiger Bischof, Heiner Wilmer, in den vergangenen Wochen mit Jugendlichen durch sein neues Bistum gepilgert. "Sie sollen mir sagen, wie ich Bischof sein soll", lautete sein Aufruf. Drei Wochenenden nahm sich der 57 Jahre alte Ordenspriester Zeit, um zuzuhören. So hat er schon vor Amtsantritt ein Signal gesetzt: Als Kirchenoberhaupt will er sich nicht in sein Büro zurückziehen oder hinter dem Altar verstecken, sondern nah bei den Menschen sein.
Ein guter Zuhörer
Damit bleibt er nicht nur sich selbst treu, sondern beherzigt auch einen Rat von Papst Franziskus: "Sei ein Pastor, geh zu den Menschen, sei nah bei ihnen", soll ihm der Pontifex gesagt haben, als er ihn in einem persönlichen Telefonat im Frühjahr davon überzeugte, das Bischofsamt in Hildesheim anzunehmen.
Das Auftreten des groß gewachsenen Paters mit freundlicher Stimme stößt schon jetzt auf Begeisterung: Die Teilnehmer der Pilgertouren loben ihn als "netten, bodenständigen" Menschen, der gut zuhören kann und unglaublich offen ist.
Heimatverbundener Bischof
Obwohl Wilmer schon lange nicht mehr in seiner Heimat, dem niedersächsischen Emsland, lebt und unter anderem in New York und in Rom tätig war, hat er seine Herkunft nicht vergessen: "Platt is mien Muddersprook", betonte er in den vergangenen Wochen und erzählte Geschichten vom elterlichen Bauernhof, wo er schon als Jugendlicher gerne am Steuer des Traktors saß.
Aufgewachsen im emsländischen 2.400-Einwohner-Dorf Schapen, machte Wilmer sein Abitur 1980 am Leoninum in Handrup, einem Gymnasium in Trägerschaft des Dehonianer-Ordens, auch bekannt als Herz-Jesu-Priester. Als 19-Jähriger trat er in die Gemeinschaft ein, studierte Theologie in Freiburg sowie Romanistik in Paris. 1987 zum Priester geweiht, ging er im Anschluss nach Rom an die Päpstliche Universität Gregoriana, um dort Französische Philosophie zu studieren.
"Gott ist nicht nett"
Dann wollte Wilmer Lehrer werden, hängte nach der Promotion in Theologie ein Lehramtsstudium in Geschichte dran. In dieser Zeit arbeitete er vier Monate als Seelsorger in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung im kanadischen Toronto. 1997 ging er in die Klassenzimmer der New Yorker Bronx. Dort unterrichtete er an einer Jesuiten-Highschool Deutsch und Geschichte. Nach seiner Rückkehr wurde Wilmer Schulleiter des ordenseigenen Gymnasiums in Handrup im Emsland.
2007 wurde er zunächst Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dehonianer, 2015 wechselte er als Generaloberer nach Rom. Als solcher war der sprachgewandte und jugendlich wirkende Ordensmann weltweit viel unterwegs. Er erlebte, wie ganz anders Menschen oft leben müssen und wie sie glauben können. Wie schwer Letzteres ist, weiß Wilmer. In seinem 2013 erschienenen Buch "Gott ist nicht nett", beschreibt er auch eigene Glaubenszweifel.
Das Bistum und seine Herausforderungen
Mit Hildesheim übernimmt er das flächenmäßig zweitgrößte Bistum in Deutschland. Die rund 610.000 Katholiken zwischen Harz und Nordseeküste leben weit verstreut. Umbrüche wie schwindende Mitgliederzahlen und sinkende Kirchensteuereinnahmen, mit denen die Kirche in ganz Deutschland zu kämpfen hat, machen sich hier besonders schnell bemerkbar. Für den neuen Bischof offenbar kein Grund zum Pessimismus: "Ich habe den Eindruck, dass hier viele Menschen leben, die kreativ sind und die Ärmel hochkrempeln können." An seine neue Aufgabe gehe er daher "guten Mutes und angstfrei" heran.
Auf den Pilgertouren gaben die Jugendlichen dem Kirchenmann unter anderem mit auf den Weg, ansprechendere Gottesdienstformen zu schaffen, die Kirche für die moderne Gesellschaft zu öffnen und nicht zuletzt einen nachhaltig orientierten Lebenswandel zu führen, wenn er künftig statt Sportjacke und Rucksack Mitra und Bischofsstab trägt. "Das ist kein Problem für mich", sagt Wilmer. "Ich benötige nicht viel."
Michael Althaus