Das weltweite Caritas-Netzwerk forderte einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung vor Gewalttaten rund um den afrikanischen Tschadsee. "Auch neun Jahre nach dem Ausbruch des Konflikts in der Region sind die Menschen weiterhin massiver sexueller Gewalt, Zwangsrekrutierungen und Ermordungen durch bewaffnete Gruppen ausgesetzt", erklärte Oliver Müller, der Leiter von Caritas international. Ein weiteres großes Problem sei der Zugang zu humanitärer Hilfe.
Bessere Sicherheit, gerechte Landverteilung, Hilfen für Gewaltopfer
Die internationale Gemeinschaft müsse ihre Anstrengungen für eine bessere Sicherheitslage in der Region erhöhen, forderte Müller. Dazu gehöre auch, darauf hinzuwirken, dass Vertriebene nicht dazu gezwungen würden, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren, wenn sie dort weiterhin Gewalttaten befürchten müssten. Eine große Herausforderung in der Region sei auch die Frage nach einer gerechten Landverteilung.
Es gehe um "akute Überlebenshilfe" und darum, die Konfliktursachen zu bearbeiten. Nach eigenen Angaben hat Caritas zuletzt seine Projekte in der Region, etwa in Nigeria, Tschad und Kamerun, ausgeweitet; dazu zählten die Verteilung von Nahrungsmitteln, Unterstützung für Flüchtlinge sowie Hilfen für Mädchen und Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden.
"Tummelplatz für Terror-Gruppen wie Boko Haram und IS"
Unterdessen sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) 100 Millionen Euro Unterstützung für den Tschad zu. Er beklagte die humanitäre Katastrophe in der Region. In dem Gebiet in Afrika spiele sich "eines der größten humanitären Dramen unserer Zeit" ab, sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe anlässlich einer am Montag beginnenden internationalen Geberkonferenz in Berlin.
Er wies darauf hin, die Region zwischen Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun sei "zum Tummelplatz für Terror-Gruppen wie Boko Haram und IS geworden, die auch für unsere Sicherheit in Europa eine Bedrohung sind". Angesichts dessen könne man es sich "nicht erlauben, wegzuschauen, wenn die Nachbarn unserer Nachbarn destabilisiert werden".
"Besorgt über die humanitäre Lage in der Region"
Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, nannte die dortige Flüchtlingskrise in den Zeitungen ebenfalls eine "der schwersten auf dem afrikanischen Kontinent". Er sei "sehr besorgt über die humanitäre Lage in der Region des Tschadsees". Mehr als 2,4 Millionen Menschen sind nach Angaben der EU-Kommission in der Region aufgrund von Terrorismus, Armut und Klimawandel vertrieben, die Hälfte davon Kinder.
Laut einem bisher unveröffentlichten Bericht der Kinderhilfsorganisation Plan International gab in der Region am Tschadsee jedes fünfte befragte Mädchen zwischen 10 und 19 Jahren an, im vergangenen Monat geschlagen worden zu sein. Nahezu alle jungen Frauen berichten demnach, keinerlei Einfluss auf ihr Leben zu haben.
Viele Mädchen würden die Schule abbrechen
Hinzu komme die Angst, keinen Zugang zu Bildung an Schulen zu bekommen. Viele Mädchen würden die Schule abbrechen, weil sie "verheiratet, schwanger oder vergewaltigt werden".
ies berichtet demnach ein 18 Jahre altes Mädchen aus Kamerun in dem Report "Heranwachsende Mädchen in der Krise: Stimmen aus der Tschadsee-Region". Die Kinderhilfsorganisation hat für den Bericht mehrere Hundert junge Mädchen in Nigeria, Niger und Kamerun befragt.
Internationale Konferenz zur humanitären Krise in Tschad
Die Bundesregierung ist bis Dienstag Gastgeber für eine internationale Konferenz zur humanitären Krise in der Tschadsee-Region. Neben Vertretern der Anrainer-Staaten wurden auch Vertreter von regionalen und UN-Organisationen erwartet, darunter UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock.
Gastgeber der Konferenz sind neben Deutschland, Nigeria, Norwegen und die Vereinten Nationen. 2017 hatte es bereits eine Geberkonferenz für die Tschadsee-Region gegeben.