Die Begegnung Kardinal Wuerls mit Papst Franziskus bestätigte laut dem Sender CNN (Dienstag Ortszeit) der Sprecher des Erzbistums Washington, Edward McFadden, ohne Einzelheiten zu nennen. Am Montag stellte sich Wuerl dann einem Gespräch mit rund 100 Priestern seiner Erzdiözese.
Der Papst habe Wuerl bei ihrer Begegnung am Donnerstag in Rom zu der Aussprache geraten, hieß es. Laut dem Portal "Il Sismografo" wurden dabei vereinzelt auch Rücktrittsforderungen Geistlicher gegen Wuerl laut. Insgesamt habe der Kardinal aber breite Unterstützung erhalten, zitiert das Portal McFadden.
Missbrauchspriester an andere Orte versetzt
Dem Erzbischof von Washington wird vorgeworfen, von sexuellen Verfehlungen seines Vorgängers Theodore McCarrick (88) gewusst, diese aber verschwiegen zu haben. Zudem soll er in seinen 18 Jahren als Bischof von Pittsburgh nicht hart genug gegen sexuelle Übergriffe von Priestern vorgegangen sein und Geistliche, die sich an Kindern vergingen, lediglich an andere Orte versetzt haben. Der Bericht des Geschworenengerichts in Pennsylvania zum kirchlichen Missbrauch, der seit Wochen die Schlagzeilen dominiert, schildert mehrere solcher Fälle.
Wuerl hat bestritten, von den Übergriffen McCarricks gewusst zu haben. Dieser hatte in der Vergangenheit offenbar schutzbefohlene Seminaristen zum Sex gezwungen und steht im Verdacht, mindestens zwei Minderjährige missbraucht zu haben.
Mit Blick auf seine Amtszeit in Pittsburgh räumte Wuerl allerdings "Fehleinschätzungen" und "Unzulänglichkeiten" ein und bat die Gläubigen in einem Offenen Brief Ende August um Vergebung.
US-Bischöfe fordern genaue Untersuchung
Mehrere prominente Katholiken in den USA haben Wuerl in den vergangenen Tagen zum Rücktritt aufgefordert. Der 77-jährige Kardinal hat die übliche Altersgrenze für Bischöfe von 75 Jahren zwar überschritten; der Papst kann den vorgeschriebenen Amtsverzicht jedoch ablehnen und die Amtszeit verlängern.
Die Affäre um Wuerls Vorgänger McCarrick gewann an Brisanz durch einen Brief des früheren Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Vigano. Darin beschuldigt er hochrangige Kirchenvertreter, darunter Wuerl und selbst Papst Franziskus, die Übergriffe des Kardinals geduldet zu haben. Den Papst rief er deshalb zum Rücktritt auf.
Eine Reihe von US-Bischöfen fordert eine genaue Untersuchung der Vorwürfe. Viele Beobachter und Anhänger von Papst Franziskus vermuten eine Kampagne streng konservativer Kreise gegen dessen Reformkurs.