Franziskus auf Sizilien – Ein Papstbesuch gegen die Cosa Nostra

Warnung an die Mafia und Zuspruch für die Jugend

Mit einem eintägigen Besuch auf Sizilien ehrt Papst Franziskus einen ermordeten Anti-Mafia-Priester. Damals schauten viele weg. Heute kommen Hunderttausende und hören deutliche Worte gegen das organisierte Verbrechen.

Autor/in:
Roland Juchem
Anlass seines Besuchs war die Ermordung des Anti-Mafia-Priesters / © Andrew Medichini (dpa)
Anlass seines Besuchs war die Ermordung des Anti-Mafia-Priesters / © Andrew Medichini ( dpa )

Die Jugend ist wichtig. Um sie muss man sich kümmern, sie braucht gute Perspektiven. Am Ende seiner Tagesreise nach Sizilien läuft der Papst zu Hochform auf. "Träumt groß!", "die Zukunft liegt in euren Händen", "Nein zu Fatalismus, Ja zur christlichen Hoffnung!", ruft Franziskus mehreren zehntausend meist jungen Menschen auf der Piazza Politeama im Herzen Palermos zu. "Macht euch auf, sucht, träumt und dient anderen", gibt er ihnen als Losung mit.

"Don Pino"

Das ist ganz im Sinne jenes Mannes, zu dessen Ehren der Papst diese Reise unternimmt: Giuseppe "Pino" Puglisi. "Don Pino", wie sie ihn hier nennen, kümmerte sich um die Jugend, wollte sie den Fängen der "Cosa Nostra" entziehen, prangerte die Mafia an. An diesem Samstag vor genau 25 Jahren wurde Puglisi von zwei Auftragsmördern erschossen, am frühen Abend, direkt vor seiner Haustür. Damals wollte keiner etwas gesehen haben. Heute sind Hunderttausende gekommen.

"Danke, Franziskus, für die Ehre für unseren Pino Puglisi", steht auf einem der zahlreichen Spruchbänder und Bettlaken an den Balkonen des neungeschossigen Hauses im Stadtviertel Brancaccio. Hier lebte und wirkte Don Pino. Vor dessen früherem Wohnhaus trifft der Papst Mitarbeiter eines von Puglisi gegründeten Sozialzentrums - und einen jüngeren Bruder des Ermordeten. Neben der Haustür mit den Dutzenden Klingelschildern betet er kurz an jener Stelle, an der der Priester am Abend des 15. September 1993 erschossen wurde.

"Wer Mafioso ist, lebt nicht als Christ"

Markiert ist sie mit einem Gedenkstein, den an diesem Tag rote Nelken schmücken. In Rot - der liturgischen Farbe für Märtyrer - waren auch die Gewänder im Gottesdienst am Vormittag gehalten. "Wer Mafioso ist, lebt nicht als Christ, denn mit seinem Leben lästert er Gott", geißelt der Papst in seiner Predigt das organisierte Verbrechen. "Den Mafiosi sage ich: Ändert euch, Brüder und Schwestern! ... Sonst verliert ihr euer Leben und erleidet eure schlimmste Niederlage", so Franziskus in seiner mehrfach von Applaus unterbrochenen Predigt.

Eines von Puglisis Motti lautete: "Wenn jeder etwas tut, kann man viel erreichen" - ob für die Zukunft der Jugend oder gegen die Mafia. Der Liedermacher Pippo Pollina schrieb 2014 dazu ein Lied. Der Papst greift es an diesem Tag auf: Der Christ solle nicht fragen, was andere - der Staat, die Kirche - für ihn tun könnten, sondern umgekehrt. "Fang du an!", so Franziskus.

Volksfrömmigkeit

Puglisi, der 2013 seliggesprochen wurde, ruht heute in einem modern gestalteten Sarkophag unter einem Seitenaltar der Kathedrale von Palermo. In seiner Rede vor Priestern, Ordensleuten und Seminaristen zitiert der Papst die Worte auf der Grabplatte: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt." Diese Worte Jesu, so Franziskus, seien "das Geheimnis seines Sieges gewesen, das Geheimnis eines guten Lebens".

In seiner Ansprache lobt Franziskus an einer Stelle erneut die Volksfrömmigkeit. Sie sei ein Immunsystem der Kirche gegen Abgehobenheit. Gleichwohl müsse man darauf achten, dass sie nicht instrumentalisiert werde. "Wenn bei einer Prozession die Madonnenstatue vor dem Haus eines Mafia-Chefs hält und sich verneigt, dann geht das gar nicht!", warnt Franziskus.

Immer noch großer Einfluss der "Cosa Nostra"

Dennoch wird an diesem Tag auch deutlich: Die Mafia ist nicht gebannt. In der Übertragung des Senders TV2000 erzählt ein anonymer Studiogast, der eine Sturmhaube trägt, vom noch immer großen Einfluss der "Cosa Nostra". Er selbst war als Jugendlicher von Mafiosi angesprochen worden, aber auch Don Puglisi begegnet. Dann erzählt er, wie er dessen Leiche im Kühlkeller der Gerichtsmedizin sah. Dabei schimmern seine Augen, der einzige Teil des Gesichts, der durch die Schlitze der Mütze zu sehen ist.

Was der Mafia ihr Gewerbe erleichtert, sind hohe Arbeitslosigkeit, Sucht und Korruption. An der ersten Station seiner Reise, der Kleinstadt Piazza Armerina, hatte Franziskus am Morgen dafür ebenfalls deutliche Worte gefunden - und die Kirche aufgefordert, sich um diese Wunden zu kümmern. Zurück nach Rom fliegt der Papst am frühen Abend von Palermos Flughafen "Falcone-Borsellino", benannt nach zwei anderen sizilianischen Märtyrern: den Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Sie wurden 1992 von der Mafia ermordet.


Papst Franziskus schreitet zum Altar in der Kathedrale von Palermo / © Vatican Media (VN)
Papst Franziskus schreitet zum Altar in der Kathedrale von Palermo / © Vatican Media ( VN )

Selfie mit Papst Franziskus / © Paul Haring (KNA)
Selfie mit Papst Franziskus / © Paul Haring ( KNA )

Papst Franziskus mit Corrado Lorefice, Erzbischof von Palermo / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus mit Corrado Lorefice, Erzbischof von Palermo / © Paul Haring ( KNA )

Papst Franziskus trägt ein rotes Gewand, ein Pileolus und das Pallium / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus trägt ein rotes Gewand, ein Pileolus und das Pallium / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA