Josef Schuster hat sich schon immer beherzt zu Wort gemeldet, aber in den vergangenen Monaten vielleicht noch deutlicher.
Als Mahner und gewichtige Stimme des Judentums in Deutschland, wenn es um rechten und muslimischen Antisemitismus, Rechtsextremismus, AfD oder die Migrationsdebatte geht. Seit er vor vier Jahren das Amt als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland übernahm, seien "rote Linien" verschoben worden, sagte der 64-Jährige jetzt in einem Interview der "Jüdischen Allgemeinen".
"Debatte ist aggressiver geworden"
Und: "Die politische Debatte ist aggressiver geworden." In derselben Zeitung kündigte der in Würzburg lebende Mediziner am Mittwoch an, erneut als Präsident kandidieren zu wollen. Am 25. November tagt in Frankfurt am Main dazu die Ratsversammlung. Davor war Schuster am 30.
November 2014 als Nachfolger von Dieter Graumann zum Präsidenten gewählt worden. Seit 2010 war der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Würzburg Vizepräsident des Gremiums, seit 2002 stand er an der Spitze des Landesverbandes seiner Religionsgemeinschaft in Bayern.
"Nicht immer vergnügungssteuerpflichtig"
"Nach reiflicher Überlegung bin ich zu der Entscheidung gekommen, meinen Hut nochmals in den Ring zu werfen", sagte Schuster der Wochenzeitung, die vom Zentralrat der Juden herausgegeben wird, zum Präsidentenamt, das "nicht immer vergnügungssteuerpflichtig" sei.
Dennoch gebe es auch eine gewisse Befriedigung, "denn mitunter hat man das Gefühl, dass man doch etwas bewegen kann". Und das war aus seiner Sicht gar nicht so wenig.
Erhöhung des jährlichen Bundeszuschusses
Als "zwei große Erfolge" nannte Schuster die Einführung von Felix Klein als Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung in diesem Jahr sowie die Erhöhung des jährlichen Bundeszuschusses für den Zentralrat um 3 Millionen auf 13 Millionen Euro. Einen entsprechenden Gesetzentwurf zu einem Vertrag zwischen der Bundesrepublik und dem Zentralrat hatte der Bundestag in der vergangenen Woche einstimmig beschlossen.
Sollte er Präsident der Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden hierzulande bleiben, hat er offenbar schon genaue Vorstellungen für weitere Ziele. In der Zeitung nannte er die Einführung von Rabbinern bei der Bundeswehr, eine Verbesserung von Integrationskursen, ein bundesweites Meldesystem für antisemitische Vorfälle und die Realisierung der Pläne für eine Jüdische Akademie.
"Juden in der AfD"
Was wohl auch dazugehören dürfte, spiegelt sich in einem Satz wider, den Schuster vor knapp einem Monat der "Passauer Neuen Presse" sagte:
Er beobachte eine Verunsicherung in den jüdischen Gemeinschaften. Es gebe zwar noch keine Tendenz zur Auswanderung – "wir sitzen nicht auf den sprichwörtlichen gepackten Koffern, schauen aber zum Teil nach, wo unsere Koffer stehen". In dem Interview ging es um die Gründung der "Juden in der AfD" – für Schuster nicht nachvollziehbar.
Geboren im israelischen Haifa
Auch Äußerungen von Schuster selbst waren nicht immer unumstritten. Etwa seine Empfehlung an Jugendliche, in muslimisch geprägten Stadtvierteln keine Kippa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung, zu tragen. "Das war für mich eine Binsenweisheit", sagte er der "Jüdischen Allgemeinen". Die Folge: eine "riesige Aufregung".
Geboren wurde Schuster 1954 im israelischen Haifa. In der Nazi-Zeit musste seine Familie, deren Geschichte sich in Unterfranken über mehr als 400 Jahre zurückverfolgen lässt, aus Deutschland fliehen. Als sie Mitte der 1950er Jahre in die Region zurückkehrte, war Schuster zwei Jahre alt. Nach Abitur und Medizinstudium absolvierte er eine Facharztausbildung, 1988 etablierte der verheiratete Vater zweier Kinder eine eigene Praxis als Internist.
"So bodenständig, wie ich immer"
Eine bestimmte Haltung habe seinem verfolgten Vater bei der Rückkehr geholfen, erzählte Schuster einmal. "Er ist nicht auf Menschen in der Überlegung zugegangen: Was hast Du vor 15 Jahren gemacht, vor 12 Jahren gemacht?"
Der Posten als Zentralratspräsident ist für Schuster ein "echtes Ehrenamt" – das reichlich Zeit in Anspruch nimmt. "Selbstverständlich leidet das Privatleben", sagte er der "Jüdischen Allgemeinen". Die Partnerin müsse dahinterstehen, und seinen Freundeskreis habe er sich erhalten können. "Ich glaube, ich bin so bodenständig geblieben, wie ich immer war."