KNA: Herr Bischof, am Dienstag haben die Synodenväter den Entwurf des Schlussdokuments erhalten. Was können Sie darüber schon sagen?
Jugendbischof Alain de Raemy (Weihbischof des Bistums Lausanne-Genf-Fribourg): Das Dokument wurde allen Synodenteilnehmern in der Aula in großen Zügen vorgestellt. Drei Themen erhalten besondere Aufmerksamkeit bezüglich der Jugend: Migration, sexuelle Übergriffe und Digitalisierung. Das sind drei Bereiche, denen man große Aufmerksamkeit schenken muss. Die Vorstellung der Struktur wurde mit sehr großem Applaus angenommen.
Das heißt, die Synodenväter haben sich in den großen Zügen und der Einteilung der Themen erkannt, bevor sie das Dokument im Detail gelesen haben. Die Vorstellung hat eine sehr gute Resonanz in der Aula gehabt. Da waren auch die jungen Gasthörer, Experten und Beobachter dabei. Sie haben nur, wie üblich bei der Bischofssynode, den Text nicht erhalten. Den haben nur die Synodenväter bekommen, die ja auch darüber abstimmen. Auch bei der Debatte über die Ergänzungen, die wir noch vorschlagen können, werden die Jugendlichen und alle anderen üblichen Gäste dabei sein.
KNA: Es wird auch einen Brief der Synode an die Jugend geben ...
de Raemy: Das ist für die Kommunikation der Synode wichtig. Das Schlussdokument ist sehr breit gefasst und in einer Sprache, die nicht unbedingt die Jugend ansprechen kann. Im Schlussdokument richten wir als Synodenväter uns an den Papst: "Mach daraus, was du willst, für die ganze Kirche." Das jetzige Schlussdokument ist aber auch an alle Mitglieder der Kirche gerichtet, nicht besonders an die Jugendlichen. Aber dafür gibt es diesen Brief.
KNA: Wichtiger als ein Brief wäre vielen Jugendlichen mehr Mitsprache in der Kirche. Das wurde auch bei der Synode immer wieder gefordert. Sie selbst haben den Vorschlag eines Jugendberatergremiums eingebracht. Wie sehen Sie die Chance, dass das umgesetzt wird?
de Raemy: Es hat seine Chancen. Mir geht es nicht unbedingt um einen Päpstlichen Rat der Jugend. Es könnte auch Themenvorschläge von ihnen geben. Dank der Digitalisierung müssen nicht zwingend Jugendliche im Vatikan sein oder nach Rom kommen, auch wenn der persönliche Kontakt zu den Stellen im Vatikan auch wichtig wäre. Wie man es genau umsetzt, ist eigentlich egal. Es geht um die Idee, Jugendliche mehr einzubeziehen und besser zu kommunizieren, sowie Sachen zu thematisieren, die ihnen wichtig sind. Das kommt schon bei der Synode an.
KNA: Es gab den Vorwurf, die Synode sei zu europäisch, zu westlich ausgerichtet. Wie sehen Sie das?
de Raemy: Das Redaktionskomitee des Schlussdokuments gibt zu, dass sie eine italienische Denkweise haben, das Dokument ist auf Italienisch verfasst. Das spiegelt natürlich auch eine Kultur wider. Es ist allen klar, dass sich das nicht vermeiden lässt. Das spiegelt sich zum Glück nicht in der Thematik wider: Bei der Migrationsfrage sind ganz stark die Länder vertreten, die die Konsequenzen am meisten tragen. Und das sind nicht wir in Europa – obwohl wir viel darüber klagen.
KNA: Neben Migration soll auch Digitalisierung im Schlussdokument eine große Rolle spielen ...
de Raemy: Die Frage der Digitalisierung trifft die Jugend ganz. Sie sind in der Digitalisierung aufgewachsen. Das hat mehr Konsequenzen, als wir uns jetzt vorstellen können. Das ist eines der Themen, die medial wenig Beachtung fanden, aber ganz zentral bei der Bischofssynode sind.
KNA: Viel mediale Beachtung fand hingegen die Frage nach der Rolle der Frau, auch Sie haben in ihrem Beitrag vor der Synode nicht nur mehr Beteiligung, sondern auch mehr Rechte, speziell für Ordensfrauen bei der Synode, gefordert.
de Raemy: Allgemein ist dieses Thema mit Recht sehr aktuell. Wir haben gewisse Gewohnheiten in der Kirche, die sich auch in der Aula gezeigt haben: Ordensfrauen, die 80 Prozent des Ordenslebens ausmachen und in der Aula mitmachen, aber nicht abstimmen können und nur zu dritt sind. Und es gibt dafür gerade zehn Ordensmänner mit Stimmrecht. Das ist erstaunlich: Entweder sind nur Bischöfe stimmberechtigt, oder, wenn man die Ordensleute dazu nimmt, dann Männer und Frauen. Das Weibliche, das Gott gewollt hat, muss auch überall in der Kirche mehr zum Ausdruck kommen. Das ist ganz klar für alle.
Das Interview führte Stefanie Stahlhofen.