DOMRADIO.DE: Ihnen steht die Freude ins Gesicht geschrieben!
Peter Füssenich (Kölner Dombaumeister): Ja, weil nach etwas mehr als anderthalbjähriger Schweigezeit die Petersglocke im Kölner Dom wieder klingt. Das ist natürlich ein ganz wunderbares Ereignis. Die Menschen, die gestern beim Probeläuten auf der Domplatte standen, waren ganz ergriffen und konnten gar nicht verstehen, dass er jetzt wieder läutet.
Wir haben es auch nicht - um mal im Bild zu bleiben - an die große Glocke gehängt, weil wir ganz sicher sein wollten, dass die Arbeiten an der Glocke perfekt sind. Das ist jetzt passiert und die Arbeiten sind abgeschlossen. Jetzt kann der "decke Pitter" wieder läuten.
DOMRADIO.DE: Was musste denn dafür gemacht werden?
Füssenich: Es war ein bisschen kompliziert. Deshalb hat es auch etwas länger gedauert als beabsichtigt. Es musste die komplette Aufhängung des Klöppels neu gefertigt werden.
Wir haben vor knapp zwei Jahren einen sogenannten musikalischen Fingerabdruck aller Glocken genommen, die sich im Dom befinden. Das ist eine Art wissenschaftliche Untersuchung, eine Art Ultraschall, dem die Glocken dabei unterzogen werden.
Bei diesen Untersuchungen wurde festgestellt, dass der "decke Pitter" zum einen ein paar Risse innerhalb des Glockenmantels aufweist. Diese sind historisch bekannt. In den 1950er Jahren ist ein solch größerer Riss mal geschweißt worden. Und zum anderen wurde festgestellt, dass der Klöppel ungleichmäßig an die Wände der Glocke anschlägt. Das heißt, er war nicht in der Mitte der Glocke aufgegangen, sondern exzentrisch aus der Mitte herausgerückt. Deshalb hat er an der einen Wand viel stärker angeschlagen als an der anderen.
Das machte es notwendig, dass wir eine völlig neue Konstruktion dieser Aufhängung für den Klöppel konstruieren mussten. Das war die große Aufgabe.
DOMRADIO.DE: Der Klöppel wiegt 600 Kilo. Aufhängung und Konstruktion sind weltweit einzigartig. Wie kompliziert ist denn so eine Reparatur?
Füssenich: Der Teufel steckt da im Detail. Weltweit gibt es solch eine Aufgabe nur hier am Kölner Dom beziehungsweise sie ist in dieser Form nur hier umgesetzt. Das heißt, wir mussten auch Experten zu Rate ziehen. Wir haben mit Professoren der Technischen Hochschule in Köln zusammengearbeitet, die auch maßgeblich an der Neukonstruktion beteiligt waren.
Dann mussten wir natürlich jemanden finden, der ein solches Einzelstück aus einem über zwei Tonnen schweren Stahlblock fräsen kann. Da musste man auf die Suche gehen. Das ist nicht so handelsüblich.
DOMRADIO.DE: Ist das am Ende auch der Grund dafür, warum es so lange gedauert hat? Es hatten ja ganz viele damit gerechnet, dass der "decke Pitter" beim vergangenen Weihnachtsfest wieder erklingt.
Füssenich: Ganz genau. Es ist eine sehr komplizierte Untersuchung der Konstruktion vorausgegangen. Man musste auch herausfinden, wie man denn den Klöppel in der Glocke wieder ganz genau in der Mitte anbringen kann. Dazu wurde eine spezielle Konstruktion entwickelt.
Warum hängt der schief und nicht genau in der Mitte? Das ist historisch bedingt schon beim Glockenguss der Petersglocke 1923 entstanden. Um diese Glocke für die nächsten Generationen zu erhalten, ist es notwendig, die Glocke auch mit dem Anschlag des Klöppels so zu schonen, dass sie weiterhin und für alle Zeiten hier am Kölner Dom erklingt.
DOMRADIO.DE: Allerheiligen soll der "decke Pitter" jetzt regulär wieder läuten. Schaffen Sie das?
Füssenich: Ich kann das jetzt offiziell bestätigen. Wir haben gestern das Probeläuten gemacht. Bei der Gelegenheit wurde der Klöppel auch nochmal ein bisschen zentriert. Das hat ganz erfolgreich geklappt, genauso wie wir uns das vorgestellt haben. Zum Allerheiligenfest wird die Glocke in Köln wieder erklingen.
Das Interview führte Verena Tröster.