Dabei verwies er auf die USA, wo inzwischen "rechtsstaatliche Prinzipien zuweilen mit den Füßen getreten" und demokratische Institutionen von höchster Stelle in Misskredit gebracht würden. Und fast überall in Europa befänden sich nationalistische und populistische Parteien im Aufwind und hätten teils Regierungsverantwortung bekommen.
Die Demokratie bleibe nicht automatisch stabil, sagte Gauck laut Manuskript in einer Vorlesung als Mercator-Professor der Universität Duisburg-Essen. Dies lehre das Ende der Weimarer Republik. 1933 seien die Nazis nicht mit einem gewaltsamen Putsch an die Macht gekommen, sondern mit den Mitteln der parlamentarischen Demokratie. Zwar hätten Demokratien den Vorteil, Regierungen gewaltfrei absetzen zu können. Zugleich verbinde sich mit ihnen aber auch der Nachteil, "dass sie sich eigenständig und demokratisch, ganz ohne Gewalt auch abschaffen können". Von daher bedürfe die Demokratie "immer einer besonderen Wachsamkeit und entschlossenen Verteidigungsbereitschaft".
Gauck: Gefestigte Demokratie im Westen Deutschlands
Im Westen Deutschlands ist nach Ansicht des Altbundespräsidenten eine gefestigte Demokratie gewachsen. Dazu beigetragen habe die Schaffung eines freien Marktes; denn Freiheit in der Gesellschaft und Freiheit in der Wirtschaft gehörten zusammen. Zudem habe die von der 68er Bewegung vorangetriebene Aufarbeitung von NS-Vergangenheit und Schuld die Demokratie gestärkt. "Was bei all den Irrungen und Wirrungen der 68er Generation leicht übersehen wird, ist der bürgerliche Kern dieser Bewegung", so Gauck. All diese guten Entwicklungen hätten aber nicht dazu geführt, dass die liberale Gesellschaft nicht mehr infrage gestellt werde. Die freiheitliche Ordnung müsse sich immer wieder Angriffen von rechten und linken Feinden erwehren.