Das Brexit-Abkommen und die Nordirland-Problematik

Rote Linie auf der Grünen Insel?

Das britische Kabinett hat den Entwurf des Brexit-Abkommens mit der EU gebilligt. Ein Knackpunkt: Die Grenzlösung zwischen dem EU-Staat Irland und Nordirland, das nicht mehr zur EU gehören wird. Ein Blick an die Grenze offenbart viel Ratlosigkeit.

Brexit Problem in Carrickcarnan: Der Friedhof steht auf nordirischer Seite, die Kirche auf irischem Grund / © Lorne Cook (dpa)
Brexit Problem in Carrickcarnan: Der Friedhof steht auf nordirischer Seite, die Kirche auf irischem Grund / © Lorne Cook ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die heutige Republik Irland besteht seit 1949. Nordirland dagegen ist Teil des Vereinigten Königreichs. Die Grenze zwischen beiden ist seit EU-Zeiten kaum spürbar. Es herrscht aber große Angst, dass sich das mit dem Brexit komplett ändern könnte, oder?

Stephan Arras (Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde St. Finian‘s in Dublin): Das ist richtig. Wenn man derzeit über die Grenze fährt, erkennt man nur, dass man sich in einem anderen Land befindet, weil die Straßen-Kennzeichen anderes aussehen. Die Geschwindigkeit wird in Nordirland noch in Meilen angegeben. Ansonsten ist nichts zu spüren.

DOMRADIO.DE: Der Deal, der jetzt im Raum steht, ist eher eine Übergangslösung, kein ganz harter Brexit. Sagen Sie uns doch noch mal, was da genau angedacht ist und wie die Iren darüber denken.

Arras: Soweit ich das verstanden habe, ist die Idee dieses Deals, dass dann doch ganz England weiterhin in der Zollunion bleibt. Damit würde eine Grenze abgewendet werden. Das wäre für die Republik Irland sehr schön, weil man dann weiterhin mit dem wichtigsten Handelspartner Großbritannien Handel treiben könnte.

DOMRADIO.DE: Der nordirischen Protestanten-Partei, DUP, passt dieser Entwurf des Vertrages zum Ausstieg aus der EU nicht so gut. Warum?

Arras: Das ist eine komplizierte Geschichte. Die nordirische Protestanten-Partei vermutet, dass diese angedachte Zollunion nur temporär ist, irgendwann durch einen richtigen Brexit ersetzt wird und dann aber für Nordirland weiterhin Europäisches Recht gilt.

Das heißt, Nordirland wäre dann mehr oder weniger durch eine Grenze vom Rest vom Vereinigten Königreich abgetrennt. Und die nordirische Protestanten-Partei steht dafür, dass Nordirland ein Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll. Die Partei reagiert auf alles, was das in Gefahr bringen könnte.

DOMRADIO.DE: Das britische Kabinett hat den Entwurf nach langem Verhandlungen gebilligt. Im britischen Parlament muss sich Premierministerin Theresa May aber wohl auf ziemlichen Widerstand einstellen, oder?

Arras: Zum einen schon mal auf den Widerstand durch die Politiker der nordirischen Protestanten-Partei. Aber ich denke, dass auch die Brexit-Gegner nicht sonderlich zufrieden mit dem Deal sind. Für sie ist es eine weichgespülte Mittellösung. Die Brexitgegner hoffen doch eher drauf, dass es entweder zu einem harten Brexit und vielleicht einer komplette Neuverhandlung kommt. Oder aber, dass sich durchsetzt: "Wir müssen noch mal über das Ganze abstimmen. Wir wollen einfach in der EU bleiben und diesen ganzen Brexit-Krempel vergessen." So wird es von beiden Seiten - vermute ich - Widerstände dagegen geben.

DOMRADIO.DE: Sie sind ja Pfarrer von Dublin. Wie erleben Sie denn in Ihrem näheren Umfeld die aktuellen Diskussionen um die Brexit-Verhandlungen?

Arras: In der Republik merkt man relativ wenig davon. Aber ich bin ja auch für Nordirland zuständig und wenn ich bei den deutschen oder deutsch-irischen Familien bin, merkt man doch zunehmend bei manchen Familien Panik und große Ratlosigkeit. Manche haben sogar schon ein Grundstück in der Republik gekauft. Es werden fleißig Anträge geschrieben, dass man sich als Deutscher in Nordirland mal vorsichtshalber einen United-Kingdom-Passport besorgt oder die nordirischen Ehepartner besorgen sich vorsichtshalber mal einen Pass von der Republik Irland. Viele haben zudem Sorgen um die Wirtschaft. Man merkt jetzt schon, dass die Wirtschaftszahlen im Land schlechter werden. Da entstehen persönliche Ängste. Man weiß einfach nicht, was nun wirklich am 19. März passiert.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Anti-Brexit-Demonstranten protestieren vor dem britischen Parlament / © Matt Dunham (dpa)
Anti-Brexit-Demonstranten protestieren vor dem britischen Parlament / © Matt Dunham ( dpa )
Quelle:
DR