In Pakistan dominieren Islamisten zusehends die Politik

Der bedrängte Präsident - Imran Khan seit 100 Tagen im Amt

Pakistan ist für Christen und muslimische Minderheiten ein gefährliches Terrain. Daran hat sich auch in den ersten 100 Tagen des neuen Premierministers Imran Khan nichts geändert.

Autor/in:
Michael Lenz
Christen im pakistanischen Lahore / © K.M. Chaudary (dpa)
Christen im pakistanischen Lahore / © K.M. Chaudary ( dpa )

Am Wochenende sorgte in Pakistan die Festnahme von Khadim Hussain Rizvi für Schlagzeilen - und für Proteste unter seinen Anhängern. Der Chef der radikalislamischen Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP) gehört zu den schärfsten Kritikern des Freispruchs der Christin Asia Bibi vom Vorwurf der Blasphemie. Doch der Grund für die Festnahme, so vermuten Beobachter, sind weniger die Demonstrationen gegen den Freispruch. Stattdessen sollen die Behörden zugegriffen haben, weil sich die TLP auch mit der Armee anlegen wollte.

Das aber geht in Pakistan gar nicht. Das Militär bildet zusammen mit seinem Geheimdienst ISI einen Staat im Staate. Der ehemalige Cricket-Star und jetzige Präsident Imran Khan hatte die Wahl im Juli 2018 nur dank der massiven Unterstützung der Generäle gewonnen. Deren Wohlwollen wird er weiter genießen wollen.

100 Tagen im Amt

Am Montag ist Khan seit 100 Tagen im Amt. Während des Wahlkampfs versprach er den Menschen ein "Neues Pakistan" mit Wohlstand für alle und den radikalen Bruch mit der Macht der korrupten Politdynastien der Bhuttos und Sharifs. Gesellschaftspolitisch führt er Pakistan jedoch noch weiter in die religiös-konservative Richtung.

"Seine Ausrichtung auf eine ultrakonservative soziale und religiöse Weltsicht sowie auf militante Gruppen bietet wenig Hoffnung, dass Pakistan ein toleranteres und pluralistisches Land wird", urteilt beispielsweise der Pakistanexperte James M. Dorsey von der "S. Rajaratnam School of International Studies" in Singapur in einer aktuellen Analyse.

Kein Sitz im Parlament, totzdem bestimmt TLP politischen Diskurs

Dabei kamen alle islamischen Parteien zusammen bei der Parlamentswahl nur auf rund zehn Prozent. Die TLP errang keinen einzigen Sitz. Trotzdem bestimme sie den politischen und gesellschaftlichen Diskurs, sagt ein westlicher Diplomat aus Islambad auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Gesandte möchte anonym bleiben. Sich kritisch über Politik und Islam zu äußern, ist auch für Ausländer gefährlich.

Der Schlag gegen die TLP könnte auch auf einen Machtkampf innerhalb der Islamisten hindeuten. Zuletzt ging die Pakistan Sunni Tehreek (PST) öffentlich auf Distanz zur TLP. Beide Parteien einte eine strenge Auslegung des Blaspehemigesetzes, auf dessen Grundlage Asia Bibi zum Tode verurteilt worden war. Doch dieses Bündnis auf Zeit scheint nun aufgekündigt. Während die TLP zur Deobandi-Bewegung gehört, die das theologische Rüstzeug für die Taliban in Pakistan und Afghanistan liefert, propagiert die PST Elemente des in Pakistan populäre Sufismus.

"Ein Monster geschaffen, dass zunehmend die Innenpolitik dominiert."

Will die Regierung einen Keil in die Szene treiben? Das ist jedenfalls in der Vergangenheit gründlich schiefgegangen. Das Militär habe radikale Islamisten als Hilfstruppen im Konflikt mit Afghanistan und Indien rangezogen, sagen Kenner des Landes. Die Generäle hätten geglaubt, diese Gruppen unter Kontrolle halten zu können. "In Wirklichkeit haben sie ein Monster geschaffen, dass zunehmend die Innenpolitik dominiert."

Dafür gibt es weitere Beispiele. Eine der ersten Amtshandlungen von Imran Khan war die Einrichtung eines wirtschaftspolitischen Beratergremiums. Dem sollte Atif Mian, ein international höchst renommierter Wirtschaftswissenschaftler angehören. Kaum von Khan ernannt, musste der Professor an der amerikanischen Princeton University jedoch auf Druck islamistischer Gruppen wieder zurücktreten. Der Grund: Mian gehört der islamischen Glaubensrichtung Ahmadiyya an. Diese gilt in Pakistan als "Irrlehre", ihre Anhänger werden verfolgt und unterdrückt.

Als "böses Omen" wertet Kamal Siddiqi gegenüber der KNA den Fall Mian. Der Chefredakteur der pakistanischen Tageszeitung "The Dawn" meint: "Imran Khan hat damit gezeigt, dass er sich bereitwillig dem Druck der religiösen Extremisten beugt."


Imran Khan / © Uncredited / Tehreek-e-Insaf (dpa)
Imran Khan / © Uncredited / Tehreek-e-Insaf ( dpa )
Quelle:
KNA
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