DOMRADIO.DE: Herr Hippler, Sie sind zum Welt-Aids-Tag nach Dallas eingeladen worden, um ihre Stiftung HOPE Cape Town vorzustellen. Was macht HOPE Cape Town?
Pfarrer Stefan Hippler (Pfarrer der deutschsprachigen römisch-katholischen Gemeinde in Kapstadt und Vorsitzender des Non-Profit-Projektes HOPE Cape Town): Auf der einen Seite die ganzen medizinischen Sachen. Wir haben drei Ärzte, die für HOPE Cape Town arbeiten und die sozusagen an ein Bundesland, an die Stadt, an die Gesundheitsbehörden ausgeliehen werden, damit Kinder und Familien behandelt mit antiretroviralen Medikamenten werden können. Auf der anderen Seite schauen wir nach den sozialen Bedingungen. Mit Sozialarbeitern, mit Ergotherapeuten, mit all den Menschen schauen wir darauf, was eine Familie betrifft und versuchen ein Kind, eine Familie nicht nur medikamentös zu behandeln, sondern wirklich die ganzen Umstände zu betrachten und zu schauen, dass ein Kind gesundheitlich, aber auch sozial im Leben eine Chance hat.
DOMRADIO.DE: Bei uns in Deutschland ist Aids im öffentlichen Bewusstsein in den Hintergrund gerückt. Ist das in Südafrika auch so?
Hippler: Es ist etwas in den Hintergrund gerückt, aber natürlich nicht so wie in Deutschland. Sie müssen sich überlegen, wir haben im letzten Jahr knapp 280.000 Neuinfektionen gehabt. Bei uns infizieren sich jede Woche 2000 junge Mädchen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren. Das heißt, die Pandemie ist wirklich sehr sichtbar und macht viele Sorgen. Von daher hat das einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.
DOMRADIO.DE: Aids und Armut ist natürlich immer ein Thema. Wie hängen sie zusammen? Wie erleben Sie das in Ihrer täglichen Arbeit?
Hippler: Es ist ganz klar, die meisten HIV-positiven Menschen sind auch arme Menschen. Und in Südafrika sind es zumeist Frauen. Es kommt also auch die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau ins Spiel. Wer wenig Bildung bekommt, wer wenig Möglichkeiten hat, sich auszudrücken, wer arm ist, der wird auch schneller krank und der hat auch weniger Chancen, aus seiner Armut, aus seiner Krankheit heraus auf einen relativ normal Pfade des Lebens zu kommen.
DOMRADIO.DE: Zum heutigen Welt-Aids-Tag nehmen die Organisationen bei uns die Diskriminierung Betroffener in den Fokus. Welche Rolle spielt die bei Ihnen in Südafrika?
Hippler: Wir erleben auch noch sehr viel Diskriminierung. Wir erleben bei HOPE Cape Town, dass Mitarbeiter nicht in Uniform nach Hause kommen sollen, damit der Nachbar nicht weiß, dass zum Beispiel ein Kind HIV-positiv ist. Da ist auch in Südafrika noch sehr viel zu tun.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sich im Kampf gegen AIDS von der Weltgemeinschaft irgendwas wünschen könnten, was wäre das Dringendste, was passieren müsste?
Hippler: Das Dringendste ist eine der Botschaften des heutigen Tages: Wenn Menschen wissen, dass sie HIV-positiv sind und sich behandeln lassen und unter der Nachweisgrenze sind, können sie den Virus nicht mehr weitergeben. Das ist das berühmte U=U – Undetectable = Untransmittable (Engl.: Nicht nachweisbar = nicht übertragbar). Das heißt, wir müssen darauf hinarbeiten, dass jeder seinen Status kennt und, wenn er HIV-positiv ist, auch in eine Behandlung geht. Wer sich behandeln lässt, der kann dieses Virus nicht weitergeben. Und damit kann man im Endeffekt AIDS besiegen.
DOMRADIO.DE: Wie viel Aufklärungsarbeit können und müssen Sie da noch leisten?
Hippler: Sehr viel. Wir gehen in Schulen, wir gehen in andere NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und Firmen rein, um aufzuklären. Die ist aber auch in Deutschland nötig. Im Letzten Oktober habe ich einen Vortrag in Bayern gehalten. Und da hat mich sehr schockiert, dass es Schüler in Deutschland gibt, die nicht mehr wissen, was HIV und AIDS ist. So ist es in Südafrika nicht. Aber man merkt, dass die jüngere Generation einfach viel weniger von den Gefahren mitbekommt, die von HIV und AIDS ausgehen.
Das Interview führte Carsten Döpp.