DOMRADIO.DE: Der eigentliche Parteitag hat um 10.30 Uhr angefangen. Vorher haben die Politiker zusammen mit Ihnen und Kirsten Fehrs, der evangelischen Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche, einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Was konnten Sie den Politikern mitgeben?
Erzbischof Stefan Heße (Erzbischof von Hamburg): Wir haben im Michel (Anm. d. Red.: Hauptkirche Sankt Michaelis) hier in Hamburg einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Es war natürlich ein adventlicher Gottesdienst und ich habe dafür Johannes den Täufer herausgegriffen, eine gute adventliche Gestalt, ein Mann mit markigen Worten. Und ich habe auf den heiligen Augustinus rekurriert, der einen ganz interessanten Vergleich bringt. Augustinus sagt, Johannes ist die Stimme, aber Christus ist das Wort, und beides gehört zusammen.
Das habe ich versucht auf die Politikerinnen und Politiker zu übertragen, die sozusagen eine Stimme äußern und dazu das Wort brauchen. Und deswegen habe ich die Politiker aufgefordert, auf das Wort Gottes zu hören. Ich habe sie aufgefordert, auf die Stimme der Menschen zu hören – gerade auf die Stimme der Kleinen und der Schwachen, auf die Stimme derer, die überhört werden können. Und last but not least habe ich sie aufgefordert, auf die Stimme der Schöpfung zu hören, die gerade jetzt wegen der Weltklimakonferenz in Kattowitz eine hohe Aktualität hat.
DOMRADIO.DE: Hat das kirchliche Wort in Politikerohren noch Gewicht?
Heße: Es war interessant, wie viele da waren. Die drei Kandidaten für das Amt waren mit dabei, die Bundeskanzlerin war da. Beim Rausgehen, als die Bischöfin und ich die Hände geschüttelt haben, haben wir für die Botschaft immer wieder Dankesworte gehört und manche haben mir auch ins Ohr geflüstert: "Danke für Ihre klaren und deutlichen Worte."
DOMRADIO.DE: Sind die Politiker gelöst rausgegangen oder haben Sie gerade bei den Spitzenkandidaten auch eine Anspannung gespürt?
Heße: Viele haben mir gesagt, sie seien dankbar, dass der Tag mit einem so würdigen und schönen Gottesdienst und guten Predigten begonnen habe. Sie hätten jetzt viel vor sich, aber auf der Grundlage ihres Glaubens gingen sie auch gelassen in die Beratungen.
DOMRADIO.DE: Die drei Kandidaten um den Parteivorsitz nahmen am Gottesdienst teil. Einer oder eine von ihnen wird voraussichtlich den Parteivorsitz der CDU von Angela Merkel übernehmen. Wie geht es Ihnen damit?
Heße: Ich bin natürlich gespannt, wie das wird. Und irgendwie ist das historisch, dass man gerade bei diesem Parteitag den Gottesdienst mitgestalten durfte und dass es ausgerechnet hier in Hamburg stattfindet. Aber ich überlasse das jetzt dem klugen Urteil und der Diskussion der Wahlmänner und Wahlfrauen. 1001 Delegierte sind es, die das zu entscheiden haben. Und irgendwann heute werden wir dann hören, wer der zukünftige Vorsitzende der CDU in Deutschland sein wird.
Das Interview führte Dagmar Peters.