DOMRADIO.DE: Wie war Ihre erste Reaktion, als der Kardinal Ihnen seine Entscheidung mitgeteilt hat?
Pfarrer Dr. Wolfgang Picken (neu ernannter Stadtdechant in Bonn): Er hat nicht eine Entscheidung mitgeteilt, sondern er hat gefragt, ob man bereit wäre, das zu tun. Das war natürlich schon auch eine Überraschung.
Auf der anderen Seite ist das auch ein Ausdruck von Anerkennung und Vertrauen. Das tut einem schon gut. Ich habe dann auch gerne auf seinen Wunsch hin, meine Zustimmung gegeben.
DOMRADIO.DE: Sofort? Oder mussten sie auch darüber nachdenken?
Picken: Naja gut, man muss schon nachdenken. Ich bin jetzt 15 Jahre in Bad Godesberg und habe hier diese Gemeinden sehr lieben und schätzen gelernt. Vieles hat sich hier bewegen können, es ist ja der größte Seelsorgebereich im Erzbistum. Es gibt viele Aufbrüche und ganz vielen tolle Leute, die hier mitgearbeitet haben und das auch noch tun. Das lässt man nicht einfach so zurück.
Aber wenn man 15 Jahre an einer Stelle ist, fragt man sich natürlich auch, wie lange man das den Menschen noch zumuten will: immer das gleiche Gesicht, immer der gleiche Zugang, den jemand anbietet. Von daher ist es vielleicht für die Gemeinde auch eine Chance und für mich eine neue Weichenstellung.
DOMRADIO.DE: 15 Jahre sind eine lange Zeit. Werden Sie Bad Godesberg auch vermissen?
Picken: Das wird sicherlich so sein, aber das Schöne und auch das Entgegenkommende dieser neuen Aufgabe ist, dass der Stadtdechant von Bonn zugleich auch Verbindung zu Bad Godesberg halten kann. Es gehört ja zur Stadt Bonn, von daher wird die Verbindung nicht abreißen. Vielleicht kann man sagen, man nimmt ein bisschen Bad Godesberg mit in die Innenstadt nach Bonn.
Denn Bad Godesberg war ja mal eine eigene Stadt und ein bisschen Separierung zwischen dem eigentlichen Innenstadtteil von Bonn und Bad Godesberg ist schon noch da. Es würde mich freuen, wenn die Entscheidung des Erzbischofs, mich zum Stadtdechanten zu ernennen, auch einen Brückenschlag zwischen Bad Godesberg und Bonn zur Folge hat.
DOMRADIO.DE: Ihrer Ernennung gingen ja auch, gemäß der Dekanateordnung, Anhörungen der leitenden Pfarrer und aller pastoralen Dienste und Gremien in Bonn voraus. Das heißt, es haben viele zugestimmt, dass sie Stadtdechant werden, oder?
Picken: Die Beratungen erfolgen ja nicht über eine Person. Es ist jetzt nicht so, dass der Erzbischof eine Person nennt und die verschiedenen Gremien auf die Person hin befragt. Sondern die verschiedenen Personen, die in diese Wahlordnung einbezogen sind, werden befragt. Der Erzbischof stellt dann aus den verschiedenen Rückmeldungen ein Profil zusammen und sucht einen Kandidaten aus und ernennt ihn frei.
DOMRADIO.DE: Was werden wohl die größten Herausforderungen im neuen Amt für Sie sein?
Picken: Ich glaube gegenwärtig ist ein Amt in der Kirche immer eine Herausforderung. Ganz einfach, weil Kirche in der gegenwärtigen Zeit zu repräsentieren, besteht aus vielen Konflikten und Schwierigkeiten, nach innen sowie nach außen. Wir sehen in Bonn, wie in vielen anderen Bereichen, dass sich die Strukturen der Gemeinden verändern müssen.
Ich habe den Auftrag des Bischofs diese Veränderungsprozesse mit Blick auf die Stadt Bonn zu moderieren und zu schauen, wie kann Kirche sich hier zukünftig bei veränderter Personalsituation und auch veränderter Struktur von Gemeinden aufstellen und positionieren. Das ist schon eine schwierige Aufgabe.
Was mir ein großes Anliegen darüber hinaus ist, ist dass Kirche in der Stadt weiterhin eine Rolle spielt. Sie muss sich positionieren und mit Menschen Kontakt aufnehmen. Das ist auch keine so einfache Aufgabe. Leider ist zu vielen Menschen der Kontakt abgebrochen. Aber das Bonner Münster liegt wirklich im Herzen der Stadt und bietet dazu gute Möglichkeiten. Es lässt sich gut mit Menschen Kontakt aufnehmen, die auch auf dem Weg sind und an einer Kirche vorbeikommen. Aber man kann sich eben nicht mehr so auf alte Strukturen und alte Seilschaften zurückziehen, sondern muss innovative Wege gehen. Aber ich denke da liegt auch eine große Chance.
DOMRADIO.DE:: Haben Sie denn schon konkrete Ideen?
Picken: Vor kurzem war ich auch schon bei Ihnen zu Gast und habe mein Buch vorgestellt.
Ich glaube das ist etwas, was die Kirche gut anbieten kann. Wir kommen einfach nicht weiter mit vielen gesellschaftlichen Problemen und Fragen, wenn wir die Menschen nicht für ein gemeinschaftliches Leben gewinnen. Viele Menschen fragen nach etwas, was ihnen Halt und Orientierung gibt. Wenn man so will sind das die beiden "Geschäfte" der Kirche. Einmal die Gemeinschaft anzubieten und zu ermöglichen und andererseits auch geistliche Angebote zu machen.
Meine Prognose ist, dass das zukünftig immer mehr an Bedeutung bekommen wird. Da könnte auch die Kirche in der modernen Zeit eine große Rolle spielen, indem sie Menschen zusammenführt und gemeinsam organisiert. Das setzt aber voraus, dass man nicht nur auf kirchliche Player setzt, sondern wirklich offen in den Dialog mit allen in der Gesellschaft eintritt. Das ist etwas, was ich hier in Bad Godesberg auch ganz erfolgreich umsetzen konnte und darin sehe ich große Chancen für eine missionarische Kirche.
Das Interview führte Martin Mölder.