Ist das schon die Trendwende? Erstmals seit 2010 ist die Zahl der Organspenden in Deutschland wieder merklich angestiegen. 955 Menschen spendeten 2018 nach ihrem Tod ihre Organe, 155 Personen oder 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
3.113 Organe konnten somit durch die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant an Patienten der acht dem Verbund angehörenden europäischen Staaten vermittelt werden. Das sind 519 Organe mehr als 2017, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Freitag in Frankfurt mitteilte. In Deutschland selber konnten - dank "importierter" Lebern, Nieren, Herzen und Lungen aus dem Eurotransplant-Raum - sogar 3.264 Organe verpflanzt werden.
Ein Hoffnungsschimmer
Von einem Hoffnungsschimmer spricht der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, mit Blick auf die 955 Spender. Höher lagen die Anzahl letztmals 2012 mit 1.046 Spendern. Danach waren die Organspende-Zahlen bis 2017 auf den Tiefpunkt von 797 Spendern gesunken. Das hatte zu einer intensiven Debatte über das Transplantationssystem in Deutschland geführt: Anfang November beschloss das Bundeskabinett ein Gesetz, das die Abläufe in den Krankenhäusern verbessern, die Stellung der Transplantationsbeauftragten stärken und die Vergütung der Kliniken für Organentnahmen verbessern soll. Es soll bis Mitte 2019 in Kraft treten.
Parallel dazu trat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Debatte über die Verpflichtung der Bürger zur Organspende los: Nach seinem Vorschlag soll jeder Bürger potenzieller Organspender sein, außer er hat dem zu Lebzeiten widersprochen. Dies wäre eine Umkehrung der geltenden Regel: Derzeit ist in Deutschland Spender nur, wer zu Lebzeiten persönlich zugestimmt hat. Liegt keine schriftliche Bekundung vor, dürfen auch die Angehörigen im Sinne des Spenders entscheiden.
Verstärkte Anstrengungen der Kliniken
Die erstmals wieder steigenden Zahlen führt die DSO insbesondere auf verstärkte Anstrengungen der Kliniken zurück. Wissenschaftliche Studien hatten zuvor ergeben, dass die Krankenhäuser das Nadelöhr seien, das für die sinkende Zahl der Organspenden verantwortlich sei.
Auch die DSO beklagte, Mediziner und Pflegepersonal hätten "ein erhebliches Informationsdefizit", gepaart mit einer "relativ hohen Ablehnung der Transplantationsmedizin". Darüber hinaus führe der hohe wirtschaftliche und personelle Druck dazu, dass die Kliniken das Thema vernachlässigten. Auch Spahn betonte, die Kliniken seien der entscheidende Flaschenhals: "Das Hauptproblem bei der Organspende ist nicht die Spendebereitschaft. Die hat in den vergangenen Jahren sogar zugenommen." Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sehen immer mehr Bundesbürger eine Organspende positiv. Auch besitzen mehr Menschen einen Spendeausweis - waren es 2012 noch 22 Prozent, sind es derzeit 36 Prozent.
Um so bemerkenswerter ist, dass die 1.300 potenziellen Entnahmekliniken in Deutschland schon vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes ihr Engagement für die Organspende verstärkt haben. Sie hätten der Koordinierungsstelle 2.811 Meldungen über eine mögliche Organspende zukommen lassen, 26 Prozent mehr als im Vorjahr, so Rahmel.
Flächendeckendes Berichtssystem
In das neue Gesetz setzt er große Hoffnungen: Es setze genau an den Schwachstellen an, stärke die Position der derzeit rund 1.600 Transplantationsbeauftragten, verpflichte durch ein flächendeckendes Berichtssystem zu mehr Qualität und Verbindlichkeit, verankere erstmals die Angehörigenbetreuung im Gesetz und sorge für eine aufwandsgerechte Finanzierung der Kliniken, sagte er.
Der DSO-Verantwortliche geht davon aus, dass auch in Deutschland mittelfristig 15 bis 20 Spender pro Million Einwohner realisierbar wären. Das zeigten die Spenderzahlen in einzelnen Regionen der Bundesrepublik: In der Region Ost beträgt die Rate jetzt schon 16,8.
2018 wurden 11,5 Spender pro einer Million Einwohner erreicht. 2017 war Deutschland mit 9,3 Spendern pro eine Million Einwohner auf den vorletzten Tabellenrang in Europa gerutscht.