DOMRADIO.DE: Was genau ist ein "Hatwalk"?
Ute Hücker (Pressereferentin beim Katholischen Deutschen Frauenbund): Ein "Hatwalk" ist eigentlich ein Spaziergang mit Hut, der an die damaligen Frauen erinnert, die sich mit Hut auf die Straße begaben, um sich für Gleichberechtigung, für Frauen und Demokratie einzusetzen. Damit wollten sie ein Zeichen setzen.
Außerdem standen sie am 19. Januar 1919 in großen Schlangen vor den Wahllokalen. Diese Frauen standen mit Hut schön hintereinander und ganz ordentlich an, um sich an der ersten allgemeinen Wahl zu beteiligen. Sie haben sich sehr engagiert, wovor wir sprichwörtlich den Hut ziehen.
Wir machen das damit deutlich, dass wir zu einem so genannten "Hatwalk" einladen. In Köln findet am Samstag um 12 Uhr auch einer statt, der vom Severinskirchplatz bis zum Rathaus führt. Und genauso treffen sich Frauen in Frankfurt, in Stuttgart, in Bayern, auf dem Wochenmarkt, bei Veranstaltungen.
Diese Frauen wollen mit ihrem Gang und mit ihren Gesprächen – auch mit politisch Verantwortlichen – noch einmal öffentlich auf das Frauenwahlrecht aufmerksam machen. Sie erinnern an die Stärkung der Demokratie und rufen dazu auf, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Politik geht nur mit Frauen.
DOMRADIO.DE: Das eine ist natürlich die Verneigung vor den Frauen, die damals unter ganz großem Druck und auch mit ganz viel Herzblut das Frauenwahlrecht hart erkämpfen mussten. Das andere ist, zu gucken, wo wir heute stehen. Immerhin haben wir schon seit fast 14 Jahren eine Bundeskanzlerin.
Hücker: Wir haben eine Bundeskanzlerin und sechs Bundesministerinnen. Außerdem haben wir einige Staatssekretärinnen – unsere Präsidentin, Frau Flachsbarth, gehört zu dieser Gruppe dazu. Aber wir müssen auch ganz klar sagen, dass es nur etwa 30 Prozent weibliche Bundestagsabgeordnete gibt. Das waren schon mal mehr. Frauen sind also immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie die Hälfte der Gesellschaft bilden.
In Landtagen und in Kommunen ist das Verhältnis nicht großartig anders. Denn auch dort bilden Frauen keinesfalls eine Mehrheit. Ziel allen politischen Handelns sollte es jedoch sein, dass ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern vorhanden ist und das nicht nur in der Politik. Das gilt auch für Wirtschaft, Lehre, Forschung, Bildung und letztendlich auch für die Kirche. Politisches Tun heißt heutzutage, Frauen zu sensibilisieren, sie zum politischen Engagement zu motivieren und ihnen Mut zu machen.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade festgestellt, dass wir in der deutschen Politik immer noch weit davon entfernt sind, dass wirklich Gleichberechtigung herrscht. Ich hätte jetzt gesagt, dass es noch viel schlimmer in der Führungsebene der katholischen Kirche aussieht. Denn da sitzen auf den wirklich entscheidenden Posten nach wie vor nur Männer. Das Ist an das vielzitierte Weiheamt geknüpft. Was ist in diesem Zusammenhang ihre aktuelle Position?
Hücker: Wir nehmen schon eine gewisse Bewegung wahr, was die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen angeht. Sowohl in Deutschland als auch im Vatikan, wo erst vor ein paar Tagen der Leiter der vatikanischen Bischofskongregation meinte, die Kirche sei hier im Rückstand und Frauen sollten mehr Führungsaufgaben übertragen werden. Der Mann hat Recht, aber es sollten Taten folgen. Deswegen sind wir auch sehr gespannt, wann und wo und wie zeitnah dieses Vorhaben tatsächlich umgesetzt wird.
Offen bleibt natürlich die Frage nach den Ämtern. Da haben Sie vollkommen recht. Deshalb fordert der Frauenbund eine grundlegende Reform in der Kirche. Dazu gehört unter anderem ein gleichberechtigter Zugang aller Getauften und Gefirmten entsprechend ihrer Charismen. Außerdem eine Reform im Hinblick auf die Strukturen, die Sakramente und die Ämter der Kirche oder den Abbau hierarchischer und klerikaler Strukturen: Eine kirchliche Sexualmoral, die den vielfältigen Lebenswirklichkeiten von Menschen heute gerecht wird, eine Aufhebung des Pflichtzölibats für Priester, Überlegungen, wie Priesterausbildungen verändert werden können, und viele weitere Aspekte.
DOMRADIO.DE: Dass Frauen einmal wählen dürfen, das hätten Sie sich selbst wahrscheinlich noch im 18. oder 19. Jahrhundert kaum träumen lassen. 1919 war dann zumindest dieser Schritt getan. Inwieweit kann der Erfolg von damals für Frauen von heute ermutigend sein, dranzubleiben bis ein Ziel wirklich erreicht ist?
Hücker: Ich glaube, dass in diesen letzten zehn Jahren wirklich sehr viel im Bezug auf die Stellung von Frauen in der Gesellschaft erreicht wurde. Das Ende der Fahnenstange ist aber noch nicht erreicht. Deswegen müssen Frauen, den Vorbildern folgend, hartnäckig sein, einen langen Atem haben und dranbleiben. Vor allem ist es wichtig, zu wissen, was man will, und sich mit allen Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen, dafür einzusetzen.
Es kann nicht sein, dass Frauen weiter in allen Lebensbereichen benachteiligt sind und ihnen mangelnder Respekt entgegengebracht wird oder sie weniger Möglichkeiten der verantwortlichen Mitgestaltung in unserer Gesellschaft haben. Teilhabe an Macht und Einfluss: Das muss für Frauen und Männer in gleicher Weise gelten. Ansonsten brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass wir möglicherweise die Zukunftsfähigkeit verpassen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.