DOMRADIO.DE: Wie kann man bei diesem Wetter draußen nachts überhaupt überleben?
Stefan Seifert (Streetworker für die Diakonie Michaelshoven): Als Streetworker würde ich jedem obdachlosen Menschen, der bei diesen Temperaturen draußen schlafen möchte, überhaupt erst einmal raten, diese Entscheidung grundsätzlich zu überdenken und sich einen Schlafplatz drinnen zu suchen.
Was ein guter Schlafplatz sein kann, wenn man denn unbedingt draußen schlafen möchte, hängt natürlich total stark von den eigenen Bedürfnissen und vom eigenen Sicherheitsempfinden ab. Der eine sucht sich vielleicht einen Schlafplatz, der eher in der Öffentlichkeit liegt, weil er dadurch eine gewisse soziale Kontrolle durch die Menschen hat. Ein anderer möchte sich eher einen Schlafplatz im Verborgenen suchen, weil er vielleicht gar nicht gesehen werden möchte oder sich an dem Ort vielleicht sicherer fühlt. Wie gesagt, das ist eine sehr subjektive Geschichte und jeder hat seine eigenen Strategien.
Grundsätzlich gilt für das Schlafen im Freien natürlich all das, was auch fürs Wintercamping angesagt wäre. Wichtig sind mindestens eine Isomatte, aber auch ein wintertauglicher Schlafsack und ganz viele Decken. Ebenso sollte man sich die Kleidung als Zwiebeltechnik übereinander anziehen, damit die Wärme auch aufgestaut wird und man nicht auskühlen kann.
DOMRADIO.DE: Die Stadt Köln sagt, es gibt theoretisch genügend Übernachtungsmöglichkeiten. Was sind das für Unterkünfte?
Seifert: Köln hat ein sehr breit aufgestelltes Hilfesystem, je nach Hilfebedarf des betroffenen Menschen. Das ist vor allem erstmal ein Netz von Kontakt- und Beratungsstellen, die von unterschiedlichen Trägern der Wohnungslosenhilfe betrieben werden. Von dort werden Menschen zum Beispiel in Betreutes Wohnen vermittelt. Und da sprechen wir dann auch ganz oft von Einzelwohnungen oder von Wohnungen in kleinen Wohngemeinschaften. Es geht in den Fällen aber auch um die Bearbeitung von persönlichen und sozialen Schwierigkeiten.
Wer aber zum Beispiel einfach nur drinnen schlafen möchte und wem das im Betreuten Wohnen vielleicht ein Stück zu viel Betreuung ist, der kann sich über die Stadt Köln - und zwar bei der Fachstelle "Wohnen" am Ottmar-Pohl-Platz in Köln-Kalk - in einer Notunterkunft unterbringen lassen. Das ist dann eine Ordnungsbehördliche Unterbringung. Dabei geht es rein um die Notübernachtung, ohne Bearbeitung von irgendwelchen sozialen Schwierigkeiten.
DOMRADIO.DE: Die Not ist bei einigen so groß, dass sie eigentlich durchaus Anspruch hätten oder auch das Bedürfnis haben, drinnen zu schlafen. Trotzdem überlegen sich manche draußen zu nächtigen. Warum ist es oft das geringere Übel?
Seifert: Die Notunterkünfte haben ganz oft Mehrbettzimmer. Da kommen ganz viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Problemlagen zusammen. Stimmungstechnisch kann das natürlich auch schwierig werden. Man braucht ein gewisses Durchhaltevermögen, um gut schlafen zu können. Die Zimmer sind aber trotzdem gut ausgestattet und teilweise bewacht.
Das Problem ist, dass Menschen Angst vor Übergriffen oder Diebstählen haben. Es braucht also eine entsprechend sichere Unterkunft, in der man auch eigene Dinge einschließen kann.
DOMRADIO.DE: Wie kann man Menschen helfen, die bei diesen Temperaturen nachts draußen schlafen?
Seifert: Ganz wichtig ist zu wissen, dass in Köln niemand draußen schlafen muss. Im Rahmen der Winterhilfe wird grundsätzlich jeder untergebracht. Insbesondere zum Beispiel in der Vorgebirgsstraße. Da werden die Menschen von der Stadt Köln auch im Notfall hingeschickt. Und um diese Menschen zu erreichen, gibt es Kältegänger, das sind Fachkräfte der Sozialen Arbeit. Die gehen abends durch die Straßen und gehen Bürgerhinweisen nach. Und diese Bürgerhinweise können Menschen in Köln geben, an die folgende Hotline: 0221-47455545.
Da kann man sich auf jeden Fall auf den Seiten der Stadt Köln einmal schlau machen. Aber im Zweifel, wenn jemand draußen schläft und man merkt, dass es diesem Menschen wirklich schlecht geht, besteht eine akute Notlage aufgrund der jetzt sehr geringen Minustemperaturen. Dann sollte man sich auf jeden Fall nicht scheuen die 112 zu wählen und somit den Rettungsdienst zu rufen.
Das Gespräch führte Tobias Fricke.