DOMRADIO.DE: In Abu Dhabi ist Franziskus mit großem Pomp empfangen worden. Wie hat der Papst reagiert?
Andreas Englisch (Autor): Das ist ihm natürlich jedes Mal wahnsinnig peinlich und er versucht es auch jedes Mal zu vermeiden. Da wurden mit Kampfjets die Farben des Vatikans, also weiß und gelb, in den Himmel gezeichnet, als er in den Präsidentenpalast gegangen ist. Das ist genau das, was er hasst. Aber er hat ja keinen Einfluss darauf.
Wir haben ihn zu dieser Sache gefragt und er hat gesagt: "Ja gut, die wollten einfach zeigen, wie willkommen ich bin". Und da ist auch was dran. Er hat alles getan, um zu zeigen: Ich bin kein Monarch und ich will auch keiner sein. Und er ist in dem kleinen Kia durch die Gegend gefahren, was in diesem wahnsinnig reichen Abu Dhabi wirklich sehr seltsam aussah. Das war sehr schön.
DOMRADIO.DE: Diese Reise haben viele Menschen als historisches Ereignis beschrieben. Hatten Sie den Eindruck, dass das für den Papst und die Reisegruppe auch so gewirkt hat?
Englisch: Ja, das war ganz klar. Es gab nicht den geringsten Zweifel. Schon als sich das andeutete, dass er es schaffen könnte, in Abu Dhabi einen Gottesdienst zu halten, war uns allen klar, dass es historisch ist. Es hat im Jahr 2000 mit Johannes Paul II. einen ersten Versuch gegeben. Er war dann in Damaskus. Allerdings hatte es dann von der arabischen Seite große Schwierigkeiten gegeben, als dieser die Moschee besucht hat. Das sah alles nicht so gut aus. Dann kam diese unglückliche Regensburger Rede aus dem Jahr 2006, als Papst Benedikt XVI. in einem Zitat Mohammed herabsetzte. Da war totale Eiszeit, da ging gar nichts mehr. Dann kam ein neuer Papst, Franziskus.
Dass er es schafft, tatsächlich nicht nur als erster Papst der Geschichte auf die arabische Halbinsel eingeladen zu werden, sondern auch unter freiem Himmel einen riesigen Gottesdienst mit 120.000 Teilnehmern zu feiern - mitten in einem islamischen Land, gar nicht allzu weit weg von Mekka, dem Ort, der Millionen Muslimen heilig ist - das war eine totale Sensation. Dass er sagt, dass das historisch ist, ist auch richtig. Das ist ohne jeden Zweifel ein neues Kapitel in der Geschichte der katholischen Kirche, das kann man nicht anders sagen.
DOMRADIO.DE: Wenn man eine Reise unternimmt und eine Mission hat, dann kommt man zurück und fragt sich, ob man damit zufrieden ist und ob einen das glücklich machen kann. Hatten Sie den Eindruck, dass Papst Franziskus sich solche Gedanken macht?
Englisch: Ja, natürlich. Er war auf dem Rückweg extrem guter Laune. Er hat gesagt: Ich bin unheimlich froh, dass wir das geschafft haben. Der Papst ist, was das angeht, wahnsinnig drastisch. Er sagt immer: Die Alternative zu einem Frieden mit dem Islam ist Krieg und Zerstörung. Wir müssen also, was die Religion angeht, unbedingt aufeinander zugehen. Wenn wir das nicht tun, gehen wir ein wahnsinns Risiko ein.
Deswegen war ihm auch anzusehen, wie erleichtert er war. Er hat gesagt, es ist alles gut gegangen. Man muss ganz ehrlich den Hut ziehen und sagen: Das war schon toll ganz klar zu sagen: Eine Religion darf niemals sagen, dass im Namen Gottes Gewalt ausgeübt werden darf. Das war schon ein hartes Stück, was er dem Islam zugemutet hat, dass er den Krieg angesprochen hat, den die Vereinigten Arabischen Emirate in Jemen führen.
Dass er all das gesagt hat, ohne sich verbiegen zu lassen und es trotzdem dennoch geschafft hat, dass die so einen weitreichenden Friedensschluss eingehen und selber sagen: Der Terrorismus entsteht durch falsche Interpretation des Islam. Ich kenne den Vatikan seit 30 Jahren. Wenn Sie mir vor zwanzig Jahren gesagt hätten, dass der Papst so was mal schafft, hätte ich gesagt: Das ist aussichtslos.
DOMRADIO.DE: Sie waren im Flieger dabei. Da hat der Papst auf die Frage einer Journalistin reagiert, die nach sexuellen Übergriffen auf Nonnen gefragt hat. Franziskus hat dazu gesagt: Ja, es gibt sexuelle Gewalt gegen Nonnen in der Kirche. Wie ordnen Sie das ein?
Englisch: Es ist nicht so wahnsinnig neu. Schon unter Johannes Paul II. hatte es eine Untersuchung gegeben, die zu dem Ergebnis gekommen war, dass es massive sexuelle Gewalt gegen Ordensfrauen gibt auf der Welt. Es gab damals einen klaren Zusammenhang. Übrigens: Die Täter, die gefasst und befragt worden sind, haben immer gesagt, dass sie sich an den Ordensfrauen vergangen haben, weil sie sicher sein konnten, dass diese kein Aids hätten.
Das war damals eine erste Untersuchung und der Papst wusste das. Er hat es ganz offen gesagt und gemeint: Das passiert wahrscheinlich immer noch. Wir wissen, dass es Priester sind, sogar Bischöfe. Und diese wissen, dass sie etwas dagegen tun müssen. Ich glaube, das spricht auch für diesen Papst. Er hat es nicht weggebügelt.
DOMRADIO.DE: Dass nach so einer Reise so dicke Hämmer auf den Tisch kommen, passiert immer mal wieder. Wie ist da die Atmosphäre im Flugzeug? Ist da Raum für solche Fragen?
Englisch: Eigentlich ist es üblich, dass auf dem Rückflug von einer Reise nur Fragen zu einer Reise gestellt werden dürfen, weil der Papst sagt: Ich bin auch nicht allwissend. Dass er die Frage aber zugelassen hat und gesagt hat: Okay, sie verstoßen zwar gerade gegen die Regeln, die wir uns gegeben haben, aber ich möchte trotzdem darauf antworten - das zeigt auch den neuen Stil. Das zeigt: Wir wollen nichts unter den Teppich kehren. Wir wissen, dass das alles Menschen sind, dass alle fehlbar sind, dass Verbrecher darunter sind und das gehen wir jetzt an. Das fand ich toll.
Der Papst ist, was das angeht, immer total offen. Es gibt keine Zensur. In der Zeit von Papst Benedikt XVI. mussten die Fragen immer vorher eingereicht werden. Das ist vorbei. Sie können den Papst fragen, was sie wollen. Niemand zensiert sie. Sie können jede Frage stellen. Der Papst geht auch meistens auf die Fragen ein. Es gibt Dinge, die so speziell sind, dass er sagt: Bitte, ich bin kein Katalog, der alles weiß. Aber auf Fragen, die wichtig sind, geht er selbstverständlich ein.
Im Flieger ist eigentlich eher eine tolle Atmosphäre. Das war unter Johannes Paul ll. eigentlich auch sehr ähnlich. Da könnte man auch sagen: Heiligkeit, das läuft ganz furchtbar schief, da haben Sie Mist gebaut. Dann hat er auch gesagt: Ja, das war ein Fehler. Franziskus hat ganz oft gesagt, dass es Dinge gibt, die bei uns unheimlich schieflaufen. Aber er versucht dem nicht auszuweichen. Und dabei macht er auch Fehler, das weiß er auch. Entweder, wir haben einen Papst, der schweigt oder wir haben einen Papst, der sich auch mal verquatscht. Das ist einfach eine gute Atmosphäre
Das Interview führte Uta Vorbrodt.