DOMRADIO.DE: Sie gehören der Gemeinschaft Emmanuel an. Was ist dort anders als in der Kirchengemeinde?
Dr. Shanti Lokhande (Klinikärztin in Köln und Mitglied der geistlichen Gemeinschaft Emmanuel): Die Mitglieder der Gemeinschaft treffen sich alle zwei Wochen zu sogenannten Hausgemeinschaften - das sind Gebetsgruppen, in denen man zusammen betet, Gott lobt und um den Heiligen Geist bittet. Wir tauschen uns über den Glauben aus, teilen Freud und Leid und beten auch füreinander. Es gibt auch regionale oder überregionale Treffen, zu denen man Gäste einlädt und zu Gebet, Austausch oder einer Mission zusammenkommt.
DOMRADIO.DE: Was meinen Sie mit Mission?
Lokhande: Das kann im Kleinen bedeuten, das Glaubenszeugnis eines anderen im Gebet mitzutragen oder selbst in einer Pfarrei von Gott zu erzählen. Die Gemeinschaft organisiert alle paar Jahre auch größer angelegte Missionen in Pfarreien. Mission kann auch bedeuten, mit Armen oder Bedürftigen zusammenzuleben. Missionen sind Projekte, die mich darin bestärken, meinen Glauben zu leben oder weiterzugeben und in der Liebe zu Gott zu wachsen.
Ich habe mich irgendwann entschieden, dass ich meinen Glauben mit dieser Gemeinschaft leben will. Aber ich denke, das hat keine Wertigkeit mit einer Pfarrei. Man kann auch in einer Pfarrei viel Freude erleben, seinen Glauben teilen und in Gemeinschaft leben. Da muss jeder schauen, was gut für einen ist.
DOMRADIO.DE: Die Nähe zu Gott ist Ihnen wichtig. Anders als eine Nonne können Sie aber nicht den ganzen Tag dem Gebet widmen. Haben Sie im Alltag Zeit für Gott?
Lokhande: Ja, ich nehme mir die Zeit für Gott. Meine Zeit ist manchmal knapp. Wenn ich zum Beispiel nach einem Nachtdienst nach Hause komme, bin ich k.o.. Aber ich denke, die knappe Zeit ist nicht das Entscheidende, um zu Gott zu finden. Sonst hätte keine Familiemutter und kein engagierter Manager eine Chance, den Weg mit Gott zu gehen.
Ich glaube, es ist wichtig, sich für Gott zu entscheiden und ihm die Zeit, die man hat, zur Verfügung zu stellen. Das Beste aus dieser kurzen Zeit zu machen, auch wenn es nur zehn oder fünfzehn Minuten sind und für die Zeit klar Gott zu bitten: Die Zeit, die ich habe, gebe ich dir. Wandle in dieser Zeit mein Herz und sprich zu mir.
DOMRADIO.DE: Sie waren kürzlich beim Weltjugendtag in Panama. Diese Weltjugendtage werden ja immer als katholisches Glaubensfest beschrieben. Haben Sie sich dort wohlgefühlt?
Lokhande: Ja, ich habe mich dort sehr wohlgefühlt. Es war nicht mein erster Weltjugendtag: Ich war schon als Teilnehmerin und als Begleiterin auf Weltjugendtagen. Ich erlebe die Weltjugendtage - so war es auch in Panama - als ganz großes Glaubensfest! Die Panamesen waren sehr stark darin zu feiern und großartige Gastgeber.
Ich finde, dass man beim Weltjugendtag die Kirche international und lebendig wahrnimmt. In erster Linie feiert man gemeinsam den Glauben und diese großartige Botschaft, die wir bekommen. Man erlebt ganz viele Dinge unkompliziert und unbefangen: Das gemeinsame Gebet, die Beichte, einen Segen. Man bekommt auch viele Impulse vom Papst selbst. Manche Jugendliche sehen den Papst zum ersten Mal - vielleicht aus nur wenigen Metern Entfernung.
Vor allem erleben sie die Kirche als lebendig und international, was so mancher deutscher Jugendlicher zu Hause nicht erlebt, weil vielleicht die Erfahrung mit der Kirche getrübt wird - durch leere Kirchen, jetzt auch durch die Missbrauchsfälle. Auf einem Weltjugendtag gibt es die Chance, eine Liebe und Zugehörigkeit zu dieser Kirche zu entwickeln.
DOMRADIO.DE: Weltjugendtage sind also ein Rezept dafür, dass die Liebe zu Gott und zur Kirche bleibt. Können Sie denn die positiven Erfahrungen vom Weltjugendtag in Ihrem weltlichen Beruf zurückgeben?
Lokhande: Auf jeden Fall hilft mir mein Christsein und die Zusage Gottes an mich, meinen Berufsalltag als Ärztin zu leben. Ich arbeite in einem Krankenhaus - da gibt es gut organisierte, aber auch stressige Tage. Gerade an stressigen Tagen erlebe ich aber, dass ich Gott in meine Arbeit mit hineinnehmen darf. Ich habe zum Beispiel in meinem Nachtdienst - wenn es auf wenige Minuten ankommt - die Erfahrung gemacht, dass es mir hilft, wenn ich auf dem Weg zur Notaufnahme kurz bete und Gott bitte, dass er als dritte Person in dieser Situation dabei ist. Das ist für mich eine konkrete Glaubenserfahrung. Und ich weiß: Gott geht jeden Schritt mit mir.
Das Gespräch führte Tobias Fricke.