DOMRADIO.DE: Wie war der Bußgottesdienst am Samstag gestaltet und wie wurde die Ernsthaftigkeit der Buße übermittelt?
Pater Bernd Hagenkord SJ (Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News): Der Bußgottesdienst war sehr schlicht gestaltet, würde ich sagen. Der Papst hat nicht gepredigt. Es gab ein Sündenbekenntnis, eine Art Gewissensrechenschaft, die sehr klar und sehr deutlich war. Da kamen alle Dinge auf den Tisch.
Das Eindrücklichste war aber die Erzählung eines Mannes, der selber Missbrauch erlitten hatte. Er hat sehr emotional berichtet und danach ein Stück auf der Geige vorgetragen, ein Stück von Johann Sebastian Bach. Es war sehr bewegend - wie auch schon in den Tagen zuvor - wenn die Menschen, die Missbrauch erlebt haben, von sich erzählt haben. Das hat die Atmosphäre in dem Saal und auch die Buße sehr geprägt. Da war nichts Show. Es war alles sehr klar und deutlich zu sehen.
DOMRADIO.DE: Konnte die Konferenz die Brücke schlagen zwischen dem globalen Problem und den jeweiligen lokalen Situationen?
Hagenkord: Der Erfolg wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen, wenn das Versprochene umgesetzt wird; wenn die Anregungen aufgegriffen werden und wenn die Bischofskonferenzen vor Ort das, was global besprochen wird, in Praxis und in Regeln umsetzen. Ein Brückenkopf steht – wenn mir der Vergleich erlaubt ist – und jetzt muss man die Brücke bauen.
DOMRADIO.DE: Der Papst hat Denkanstöße gegeben. Wie wurde damit umgegangen, konnten die etwas bewirken?
Hagenkord: Der Papst hat ja nicht eigene Denkanstöße gegeben. Der Papst hat gesammelt, was aus den Bischofskonferenzen und aus der Welt zu ihm gekommen ist und das quasi als Sammlung zurückgegeben. Es gibt Länder, wo bereits viel umgesetzt oder angegangen ist. Es gibt Länder, da ist das eher noch auf der To-Do-Liste. Jeder hat die Denkanstöße mitgenommen und jeder hat auch darüber gesprochen, wenn er in Interviews darauf angesprochen wurde. Bei den Einzelnen haben sie sehr wohl eine Wirkung gehabt. Ob sie jetzt die ganze Debatte geprägt haben, das wage ich zu bezweifeln.
DOMRADIO.DE: Haben sich durch die Konferenz konkrete Änderungen angebahnt?
Hagenkord: Es gibt keine Beschlüsse. Es gibt nur einige Themen, wo ich sagen würde, die kristallisieren sich heraus und die muss man angehen. Je nach Kultur und Rechtslage ist das natürlich immer wieder verschieden. Wichtig ist sicherlich das "secretum pontificium", was oft als päpstliches Geheimnis übersetzt wird - also der Vorbehalt, dass etwas vertraulich bleibt, wenn Rom involviert ist. Da ist die Überlegung, ob man da nicht anders herangeht.
Sehr stark war auch die Frage nach der Kommunikation: Wie reden wir? Mit wem in der Öffentlichkeit? Wie kommunizieren wir? Wann machen wir das? Das klingt für uns relativ normal, es ist jedoch nicht in allen Ländern der Welt so. Aber es reicht eben nicht bei einer Konferenz, darüber zu sprechen.
DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt weiter?
Hagenkord: Die Bischofskonferenz-Vorsitzenden in der Schweiz, Österreich und Deutschland und überall sonst überlegen jetzt, wie die Ergebnisse dieser Konferenz in die eigenen Konferenzen eingebracht werden. Auf dem Papier sieht die deutsche Kirche nicht so schlecht aus. Wie wir aber von den Rückmeldungen der Beteiligten wissen, sind die noch nicht so wirklich überzeugt davon.
DOMRADIO.DE: War das jetzt ein Befreiungsschlag. Was schätzen Sie?
Hagenkord: Das war es nicht, das wollte es auch nicht sein. Es geht gar nicht darum, sich zu befreien, sondern tatsächlich darum, die Hausaufgaben zu machen. Ob dann das Vertrauen zurückkommt, das liegt nicht mehr in der Kontrolle der Kirche. Aber ich glaube, es ist eine richtige Orientierung. Das ist so etwas wie ein Kompass gewesen, den der Vatikan, den der Papst angesetzt hat und jetzt wird's praktisch. Dann erst können wir fragen, glaubt ihr uns das eigentlich.
Das Interview führte Moritz Dege.