Mats Thomas hält demonstrativ einen Zeitungsartikel zum Thema Datenmissbrauch in den USA in die Höhe. Luca Grammes hat sich einen Text ausgesucht, bei dem es um den geplanten Mauerbau Trumps an der Grenze zu Mexiko geht. Marcel Dudek geht es um den Umweltschutz, speziell um die Reduktion von Emissionen und Abgasen. Er hat zu seinem ausgeschnittenen Zeitungsblatt handschriftlich am Rand vermerkt: "Hört auf, die Erde zu behandeln, als hätten wir eine zweite!" Und Zoe Jandt interessiert sich für den Ressourcenschutz, das heißt für eine ausgewogene Verteilung und Wertschätzung von dem, was der Planet Erde eigentlich für alle seine Bewohner bereit hält, wenn es denn gerecht zuginge.
Dass in El Salvador, dem kleinen Land in Zentralamerika mit seinen 6,3 Millionen Einwohnern, Gewalt das Leben der Menschen in einem erschreckenden Maße beherrscht und dort Morde – vor allem durch organisierte Jugendbanden – an der Tagesordnung sind, lässt Mats Vondy nicht kalt. Er hat zu diesem Aspekt recherchiert und sich wie auch die anderen Schülerinnen und Schüler der Marienschule Opladen so seine Gedanken gemacht. Denn darin bestand die Aufgabe des Schulprojekts: nicht bei der Aufdeckung von politischen Misszuständen – in Deutschland und anderen Teilen der Welt – stehen zu bleiben, sondern auch an Lösungsansätzen zu arbeiten und eigene Ideen zu entwickeln, wie Veränderung möglich werden kann. Dazu haben die Jugendlichen Video-Clips hergestellt, Musikprojekte ins Leben gerufen – wie beispielsweise die Liebfrauenschule Ratingen – oder eine bühnenreife Performance einstudiert.
Ein verändertes Bewusstsein ist nötig
Antonina Eichner und Veronika Hunner schreiben sich gleich im doppelten Wortsinn die Unterdrückung von Frauen und ihrer Rechte auf die Fahnen. Denn die beiden Schülerinnen der Liebfrauenschule Bonn haben Plakate und Collagen gegen Frauengewalt gebastelt und mit einem Tanzprojekt, in das ihre Überlegungen einflossen, die ganze Schule für ihr Anliegen geworben. So sind sich die durchweg 15-Jährigen darin einig, dass dauerhaft für vieles ein verändertes Bewusstsein geschaffen werden muss – zumindest in Deutschland. Und dass viele weltweite Probleme oft mit mangelnder Bildung zu tun haben und hier die Politiker viel mehr zur Verantwortung gerufen und bestehende Systeme hinterfragt werden müssten, um für Gleichaltrige in anderen Teilen der Welt eine realistische Zukunftsperspektive zu schaffen.
1.500 Schülerinnen und Schüler von insgesamt zehn Schulen trafen an diesem Donnerstag mit Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und Pirmin Spiegel, dem Hauptgeschäftsführer des Hilfswerk MISEREOR, in der Kölner Philharmonie zusammen. Gemeinsam wollten sie in die diesjährige Fastenaktion von MISEREOR starten und passend zum Leitwort der Aktion "Mach was draus: Sei Zukunft" Beispiele von dem sozialen Engagement an ihren Schulen, aber auch im alltäglichen Miteinander auf großer Bühne demonstrieren. Dabei reichten die mitgebrachten Themen von Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung über die Unterstützung von Flüchtlingen im Schulalltag und Charity-Projekten bis hin zu Ideen dafür, wie Zusammenleben grundsätzlich verbessert werden kann. Auch Jugendliche aus El Salvador, dem Beispielland der diesjährigen Fastenaktion, in das noch im Februar Generalvikar Dr. Markus Hofmann gemeinsam mit Pirmin Spiegel gereist war, waren als Gäste geladen oder über Video-Beiträge präsent. Sie berichteten hoffnungsvoll von Veränderungen in ihrem persönlichen Umfeld, die sie MISEREOR in Zusammenarbeit mit der örtlichen Caritas und der Initiative "Mein Lebensplan" verdanken. Denn das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit setzt vor allem auf die Stärkung der jungen Generation, indem es sich mit Partnerorganisationen in El Salvador um Bleibeperspektiven für die überwiegend arbeitslosen Jugendlichen kümmert. Das kann bedeuten, sie beispielsweise durch Kleinstkredite dabei zu unterstützen, ein kleines Geschäft zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufzubauen. Oder es heißt, erdbebensichere Häuser zu bauen und damit gleichzeitig solidarische und funktionierende Nachbarschaften zu ermöglichen, die sie aus der Spirale von Armut und Gewalt befreien.
Spuren der Hoffnung
"Diese Jugendlichen sollen lernen, dass sie mehr Chancen haben, als sie denken, und gleichzeitig ihre eigenen Fähigkeiten kennenlernen, was ihr Selbstwertgefühl und ihre Widerstandsfähigkeit steigert – und sich dann einen eigenen Lebensplan aufbauen", hatte Daysi Rodriguez, Mitarbeiterin der Caritas in San Salvador, zuvor in einem Pressegespräch erklärt. Sie schilderte, dass sich Jugendliche in ihrem Heimatland jeden Tag mit Gewalt auseinandersetzen müssten: in der Familie, unter Freunden, in der Gemeinschaft, seitens der Behörden und in ihrer peer-group. Für viele salvadorianische Familien sei Auswanderung die einzige Lösung, zumal nicht einmal Minimalbedingungen zur persönlichen Entfaltung gewährleistet wären. Ganze Karawanen von Flüchtlingen stünden für die Stimme eines Volkes auf der Suche nach Hoffnung. Der Staat schaffe keine ausreichende Sozialpolitik; es herrschten Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Ausgrenzung, so dass kriminelle Banden die Notlage von Jugendlichen für ihre Zwecke ausnutzten.
"Wir müssen in San Salvador nach Spuren der Hoffnung suchen", betonte Pirmin Spiegel. "Wir nehmen nicht hin, dass junge Leute – wie Weggeworfene der Gesellschaft – im Abseits stehen. Mit ihnen stellen wir uns gegen Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit. Denn ihre Potenziale sind für eine friedlichere und menschlichere Gesellschaft bedeutend." So wolle das Motto der Fastenaktion "Mach was draus. Sei Zukunft!" Aufforderung und Zuspruch zugleich sein. Zuspruch für mehr Hoffnung als Resignation, mehr Zuneigung statt Kälte, mehr Zuversicht statt Angst. Und Aufforderung, etwas zu riskieren und für seine Überzeugungen und Träume einzustehen. Spiegel unterstrich, es gehe darum, mutig aufzustehen für eine menschlichere Welt.
"Wir stehen in einer gemeinsamen Verantwortung für diese jungen Menschen. Unser aller Auftrag ist, an einer weltweiten Gerechtigkeit weiterzuarbeiten. Denn wir wollen eine Zukunft für alle gestalten." Das betonte Kardinal Woelki. Auch wenn El Salvador als der "Däumling" unter den mittelamerikanischen Ländern gelte, der Drogen- und Waffenhandel blühe, die Menschen dort kaum dem Teufelskreis aus Bildungsferne, Gewalt und Gegengewalt entkommen könnten und sich viele wünschten, das Land zu verlassen, müsse man die Jugendlichen gerade dort unterstützen und zum Bleiben motivieren. Menschen, die sich nach einem Leben jenseits von Gewalt sehnten, die Gewaltspirale durchbrechen wollten und dafür genügend Mut und Herz zeigten, seien Prophetinnen und Propheten einer Zukunft ohne Gewalt, so Woelki. Später zeigte sich der Kölner Erzbischof von den vielfältigen und sehr kreativen Ideen der Schüler beeindruckt, die sich von der Fastenaktion zu eigenen Initiativen hatten inspirieren lassen, und ermutigte dazu, in diesem Engagement nicht nachzulassen. "Ihr könnt mehr bewegen, als Ihr glaubt", rief er den jungen Leuten in der Philharmonie entgegen. "Habt Mut! Eine andere Welt ist möglich!"