Klimpernd fällt die Münze in den Kasten neben der Orgel. Besucher der evangelischen Katharinenkirche in Braunschweig finden dort eine europaweit wohl einmalige Erfindung: Wie bei einer Jukebox können sie per Knopfdruck zwischen elf Musiktiteln auswählen.
Mit einem dumpfen Klack setzt sich zunächst der Motor des Instruments in Gang, das Gebläse rauscht. "Die Orgel muss sich erst aufwärmen, wie eine Espresso-Maschine", schmunzelt Landeskirchenmusikdirektor Claus-Eduard Hecker.
Viele kommen nur wegen des Audiomats
Als dann Bachs Toccata in d-Moll durch die Orgelpfeifen in den Kirchenraum schallt, sitzt kein Musiker auf der Orgelbank. Die Register schieben sich wie von Geisterhand heraus. Seit etwa einem Jahr gibt es den "Orgel-Audiomaten" in Braunschweig. Während bundesweit schon in mehreren hundert Kirchen selbstspielende Orgeln eingerichtet wurden, ist das Spiel für Besucher auf Knopfdruck außerhalb der Gottesdienstzeiten laut Hecker eine Neuheit.
"Inzwischen kommen auch viele Gäste von außerhalb nur wegen des Audiomats hier in die Kirche", sagt der 64-jährige Musiker. Er hat die Stücke, darunter Titel von Dieterich Buxtehude (1637-1707) oder Max Reger (1873-1916), zuvor eingespielt und abgespeichert. Je nach Länge kostet ein Stück zwischen 50 Cent und zwei Euro. Die Beträge gehen Hecker zufolge an die Kirchengemeinde und decken auch die Kosten für die Orgelwartung.
Während Besucher in anderen Kirchen auch Orgelmusik über Lautsprecher hören können, sei diese automatisch ausgelöste Spielweise mit originalem Pfeifenklang einmalig, betont der Landeskirchenmusikdirektor. "Lautsprecher schaffen es einfach nicht, den Klang so zu reproduzieren", sagt Hecker und kommentiert in der Kirchenbank sitzend die Harmonien der aus der Orgel schallenden Bach-Toccata.
Orgelbegleitung per Fernbedienung
Ein kleiner unscheinbarer Kasten sorgt zunächst dafür, das die eingespielte Musik gespeichert wird. Dann werden Impulse zu Schnittstellen an den Pfeifenventilen weitergegeben, erläutert Hecker. "Platz wäre für 24-stündiges Orgelspiel an 60 Tagen."
Entwickelt wurde das System per Münzeinwurf von der Hamburger Firma "Rudolf von Beckerath", die bereits 1980 die Orgel für die Braunschweiger Kirche gebaut hat. Die örtliche "Hans und Helga Eckensberger-Stiftung" hat die neue Anschaffung für insgesamt 40.000 Euro unterstützt.
Zunächst hat Hecker das Abspielgerät mit seinen Orgelschülern getestet. Erstmals konnten sie damit ihr eigenes Spiel abspeichern und im Kirchenraum erleben und davon lernen. Der Landeskirchenmusikdirektor nutzt die Technik aber auch, um vorne in der Kirche einen Chor zu dirigieren und die Orgelbegleitung dazu per Fernbedienung zu starten.
"Die Musik hört man schon von draußen"
Allerdings könne ein solches Gerät den Kirchenmusiker keineswegs ersetzen, betont Hecker. Auch wenn in vielen Gemeinden derzeit händeringend Organisten gesucht würden: In den Gottesdiensten könne die vorab eingespielte Musik nicht mit Tempo und Lautstärke auf den Gesang der Gemeinde eingehen. Zudem eigneten sich nur neuere Instrumente mit entsprechenden technischen Voraussetzungen für den Einbau.
Aber vielleicht könne der Audiomat dennoch den Nachwuchssorgen der Berufsgruppe entgegenwirken, hofft Hecker. Durch das Orgelspiel würden schließlich auch Besucher außerhalb der Gottesdienst-Zeiten angelockt und vielleicht für die "Königin der Instrumente" begeistert.
Angezogen von den lauten Bach-Klängen wird an diesem Nachmittag auch Klaus Uwe Schütt. "Die Musik hört man schon von draußen", sagt er begeistert. Der Rentner, der zu Hause selbstspielende Instrumente sammelt, wandert neugierig um die Orgel herum. Landeskirchenmusikdirektor Hecker wirbt währenddessen schmunzelnd mit einem Zitat des Komikers Heinz Erhardt für die Erfindung: "Drück nur auf die richt'ge Taste, und die schönste Musik haste."
Von Charlotte Morgenthal