DOMRADIO.DE: Bei der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe haben Sie den Bischöfen mit deutlichen Worten ins Gewissen geredet. Die katholische Kirche in Deutschland, so der Tenor Ihres Redebeitrags, habe jeden Kredit verspielt. Das allein ist schon etwas Besonderes, dass Sie als Frau vor den Herren Bischöfen Klartext reden konnten, oder?
Julia Knop (Professorin für Dogmatik): Das ist eine Frage der Perspektive. Für mich als Theologin, als Wissenschaftlerin, ist es nicht so ungewöhnlich, einen Studientag zu moderieren, ein Thema einzuführen, Referenten vorzustellen, Diskussionen oder ein Plenum zu moderieren. Das ist ja Tagesgeschäft bei uns. Ungewöhnlich war für mich nur, dass die Gruppe bei dieser Konferenz nicht so divers war, wie das im Wissenschaftskontext der Fall ist - wo wir Frauen und Männer, verschiedene Statusgruppen, verschiedene Nationen, manchmal verschiedene Sprachen haben. Das war wohl der wichtigste Unterschied.
Für die Bischöfe war es, denke ich, schon etwas Besonderes, ihren Studientag bei der Vollversammlung von einer Frau moderieren zu lassen - soweit ich weiß, war es auch das erste Mal.
DOMRADIO.DE: Haben Sie Rückmeldungen von einzelnen Bischöfen bekommen? Denken Sie, dass Sie da etwas anstoßen konnten?
Knop: Ich habe ungewöhnlich viele Rückmeldungen bekommen, es gab eine ausgesprochen große Resonanz – auch von einzelnen Bischöfen, von Seiten der Verantwortlichen für den Studientag, die als Konferenzmitglieder, aber auch im Hintergrund mitgewirkt haben. Es haben sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen gemeldet; Menschen, die ich kannte und Menschen, die ich nicht kannte. Man hat sehr viel Dankbarkeit und Erleichterung über die angesprochenen Themen geäußert, die mir für die Moderation natürlich vorgegeben waren - die Themen Macht, Sexualmoral und priesterliche Lebensform -, aber auch zu der Art und Weise, wie ich diese Themen angesprochen habe. Ich wollte dies ohne Polemik tun, sachlich und nüchtern, aber mit einer hohen Ernsthaftigkeit. Mein Eindruck ist - das wurde mir auch vor Ort und im Nachgang gespiegelt -, dass die Dynamik, die auf dem Studientag entstanden ist, für die Entwicklung am Folgetag ganz entscheidend war: Dass man nun mit der ganzen Kirche in Deutschland einen synodalen Weg gehen will, der verbindliche Formen der für offene Fragen bietet und von Anfang an partizipativ gestaltet wird. Da ist in diesen zwei oder drei Tagen wirklich etwas passiert. Dass ein solcher Prozess gut und ernsthaft in Gang kommt, war mein Anliegen.
DOMRADIO.DE: Wie hängen denn Machtmissbrauch und Machtkonzentration in der Kirche mit der systemischen Benachteiligung von Frauen zusammen?
Knop: Das sind, glaube ich, komplexe Zusammenhänge; monokausale Herleitungen taugen sicher nicht. Aber ich denke schon, dass es Zusammenhänge und Wechselwirkungen gibt, die man auf verschiedenen Ebenen betrachten kann.
Wir haben in der katholischen Kirche eine sehr starke Verbindung von Macht, Amt, Geschlecht und Lebensform. Der Zugang zu Weiheämtern, die immer auch mit sozialer sowie sakraler Macht zu tun haben, ist geschlechtsspezifisch reguliert. Er wird geschlechtsspezifisch eröffnet oder auch verwehrt. Dadurch haben wir schon strukturell eine geschlechtsbezogene Asymmetrie.
Neben Strukturfragen sollte man aber auch auf theologische Konzepte schauen, die prekäre Wirkungen zeitigen können. Wir haben so etwas wie eine sakrale Überformung des Weiheamtes, auch der zölibatären Lebensform. Teilweise wirken unterschwellig Konzepte, von denen man eigentlich meinen sollte, sie seien längst überwunden. Aber es gibt auch problematische Amtstheologien, die doktrinär gestärkt werden und die kirchlich gewollt sind. Da müssen wir theologisch ran.
DOMRADIO.DE: Sie beklagen, dass die Diskussion einiger zentraler Fragen in der Kirche lange nicht erwünscht war. Zählen Sie auch die Öffnung der Weiheämter für Frauen dazu?
Knop: Ja natürlich. Die Diskussion der Frauenordination ist ja von allerhöchster Stelle - 1994 von Johannes Paul II. - offiziell unterbunden worden. Das ist ganz klar ein Beispiel für Diskussionen, die nicht gewünscht sind.
DOMRADIO.DE: Was sagen Sie zu der Frauenquote, die sich die deutschen Bischöfe verordnet haben: 30 Prozent Frauen in Führungsämtern bis 2023. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
Knop: Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung - schon deshalb, weil es eine messbare Verpflichtung ist, die man allerdings auch evaluieren muss. Aber eine Quote ist immer eine B-Lösung. Sie ist immer auch ein Symptom für eine Krise und nicht schon ihre Lösung.
Ich bin mir, ehrlich gesagt, auch gar nicht sicher, ob es im kirchlichen Kernbereich 30 Prozent Leitungsposten gibt, die unabhängig von einer Weihe besetzt werden können. Ob man diese Quote überhaupt erfüllen kann. Ich glaube, wir brauchen einen Mentalitätswandel, aber auch einen Strukturwandel. Das kann man mit gutem Willen allein sicher nicht lösen.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie speziell für die Frauen in der katholischen Kirche?
Knop: Ich wünsche mir volle Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen. Und ich meine, dass das im Jahr 2019 eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Nicht der Zugang zu Entscheidungskompetenzen und bestimmten Rollen ist begründungspflichtig, sondern der geschlechtsspezifische Ausschluss.
Das ist in meinen Augen eigentlich auch keine Frage von Frauenförderung. Das Problem ist doch nicht, dass es keine kompetenten und qualifizierten Frauen gäbe oder dass Frauen durch Kleriker erst dazu befähigt werden müssten, Leitungsfunktionen zu übernehmen. Dass Frauen in der Kirche strukturell unterrepräsentiert sind, liegt nicht an den Frauen.
Geschlechtergerechtigkeit ist ein zentrales theologisches Anliegen, zunehmend aber auch ein ökumenisches Problem. Fehlende Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche ist mittlerweile ein kirchentrennendes Hindernis zwischen den Kirchen des Westens - zwischen den Kirchen der evangelischen und der katholischen Tradition. Das finde ich ungeheuer problematisch. Es kann doch nicht sein, dass das unverzichtbar Katholische darin liegt, Frauen strukturell zu benachteiligen.
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.