Große Sympathie für Notre-Dame und ein "Blankoscheck" von Macron

Bislang wenig Spenden aus Deutschland

Der Brand in der Kathedrale Notre-Dame hat viele Deutsche erschüttert. Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, äußert sich zur Debatte um reiche Großspender.

Familie schaut auf die beschädigte Kathedrale Notre-Dame / © Paul Haring/CNS photo (KNA)
Familie schaut auf die beschädigte Kathedrale Notre-Dame / © Paul Haring/CNS photo ( KNA )

KNA: Haben Sie schon einen Eindruck, ob und wieviel die Deutschen für Notre-Dame gespendet haben?

Burkhard Wilke (Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen / DZI): Es gibt eine große Sympathie und viele Bekundungen aus Deutschland, zum Wiederaufbau der gotischen Kathedrale beitragen zu wollen. Wir als Spenderberatung haben aber bislang kaum Anfragen nach Spendenkonten erhalten. Auch die Maecenata-Stiftung, die darauf spezialisiert ist, Spenden über Ländergrenzen steuerbegünstigt abzuwickeln, berichtet von geringer Aktivität. Das kann allerdings auch daran liegen, dass es bislang noch an öffentlich kommunizierten zentralen Spendenkonten fehlt – wie sie etwa bei Naturkatastrophen über das Fernsehen verbreitet werden. Das kann sich aber noch ändern.

KNA: Was empfehlen Sie Bürgern, die spenden möchten?

Wilke: Wer will, kann natürlich Geld direkt an französische Organisationen überweisen. Dort gibt es inzwischen immer mehr Initiativen, die Spenden für Notre-Dame sammeln. Aber man sollte sich vergewissern, ob sie seriös sind. Tipps dazu gibt etwa die Website unserer französischen Partnerorganisation Comite de la Charte. Bei einer solchen Direktspende kann man dann jedoch keine steuerlich anerkannte Spendenquittung erhalten.

Spendet man hingegen über die gerade erwähnte Maecenata-Stiftung, so leitet diese das Geld dann zentral an die Fondation de France weiter, eine der vier von Frankreichs Regierung empfohlenen Spendenempfängern. Und Maecenata stellt dann eine vom deutschen Fiskus anerkannte Quittung aus. Oder man spendet an andere vertrauenswürdige deutsche Organisationen, die Geld für Notre-Dame sammeln – etwa das Erzbistum Berlin, das an Ostern zur Kollekte aufgerufen hatte.

KNA: Präsident Macron hat sich festgelegt, dass Notre-Dame in fünf Jahren wieder aufgebaut ist. Der Staat spielt also eine große Rolle...

Wilke: Seit 1905 sind die meisten Kirchen in Frankreich im staatlichen Besitz. Macron hat als Eigentümer also sozusagen einen Blankoscheck ausgestellt, dass der Staat für die Kosten einsteht.

KNA: Warum sollte man dann noch spenden?

Wilke: Weil die Kathedrale aus Sicht der Franzosen ein nationales Denkmal ist und es eine gesellschaftliche Aufgabe sein sollte, sie wieder aufzubauen. Der Staat kann deshalb zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung aufrufen. Beim Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dresdner Frauenkirche ist es ja ganz ähnlich gelaufen: Obwohl sie im Eigentum der evangelischen Kirche ist, kamen mehr als 100 Millionen Euro an Spenden zusammen, viel davon aus dem Ausland und von Spendern, die der evangelischen Kirche selbst nicht angehören. Auch der Wiederaufbau der historischen Fassaden des Berliner Stadtschlosses ist für viele Menschen ein wichtiges zivilgesellschaftliches Projekt, das sie unterstützen wollen, auch wenn der Wiederaufbau des Gebäudes zum Großteil aus Staatsgeldern finanziert wird.

KNA: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang, dass Frankreichs Geldadel gleich Hunderte Millionen an Spenden zugesagt hat?

Wilke: Ich finde die Debatte darüber legitim. Denn schließlich bekommen diese superreichen Familien ja die Möglichkeit, sich mit ihrem Namen beim Wiederaufbau dieser wichtigen Kirche im öffentlichen Bewusstsein gewissermaßen zu verewigen. Manche Franzosen haben das Gefühl, es wäre nicht mehr ihre Kirche. Deshalb ist die Diskussion darüber so wichtig; der Staat muss dafür sorgen, dass Notre-Dame ein Symbol aller Franzosen bleibt. Abgesehen davon ist angesichts der öffentlichkeitswirksamen Spendenzusagen dieser Industriellenfamilien natürlich auch die Frage berechtigt, was sie ansonsten für das Gemeinwohl tun und warum sie mal eben 100 oder sogar 200 Millionen Euro aus der Tasche ziehen können – oder es eben nicht tun.

KNA: Nun gibt es auch in Deutschland Kritiker, die fordern, man solle lieber für Flüchtlinge und Hungernde spenden als für tote Steine...

Wilke: Man sollte das nicht gegeneinander ausspielen. Nach unseren Erfahrungen in der Spendenberatung lässt sich keine Rangfolge zwischen Umweltschutz, Nothilfe, Entwicklungshilfe oder kulturellen Projekten aufstellen. Spenden ist etwas sehr Privates; jeder spendet für Dinge, die ihm persönlich wichtig sind. Außerdem gibt es auch bei Naturkatastrophen oder Entwicklungshilfeprojekten immer wieder eine große Spendenbereitschaft.

KNA: Vielleicht sind manche Spender auch frustriert, weil Entwicklungshilfe oder Katastrophenhilfe als Fass ohne Boden erscheinen?

Wilke: Wenn man genau hinschaut, zum Beispiel mit einem Blick in die inzwischen häufig sehr transparenten und aussagekräftigen Jahresberichte von Hilfswerken, dann erweist sich diese negative Erwartung ja meist als unzutreffend. Es gibt aber einen Trend, dass Spender immer genauer wissen und nachgewiesen haben wollen, was ihre Spende wirklich bewirkt. Beim Wiederaufbau eines Gebäudes kann man den Erfolg ganz konkret messen, bei Spenden für Armutsbekämpfung in Afrika ist das schwieriger. Dennoch überwiegt bei den meisten Spendern ein Verantwortungsgefühl. Von den jährlich rund 8 Milliarden Euro an privaten Spenden in Deutschland fließt der überwiegende Teil weiterhin in langfristige und unspektakuläre Projekte oder geht ohne Zweckbindung an Hilfsorganisationen, die das Geld flexibel einsetzen können.

Das Interview führte Christoph Arens.


Burkhard Wilke / © N.N. (DZI)
Burkhard Wilke / © N.N. ( DZI )

Trümmerteile und verkohlte Holzbalken liegen im Inneren der Kathedrale Notre-Dame / © Christophe Petit Tesson (dpa)
Trümmerteile und verkohlte Holzbalken liegen im Inneren der Kathedrale Notre-Dame / © Christophe Petit Tesson ( dpa )
Quelle:
KNA
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