Bischof Feige wirbt für Dialog in Populismus-Debatte

"Das ist kein reines Ostproblem"

Auch in den Kirchen gebe es Personen, "die populistischer denken, als es erwünscht wäre", meint der Magdeburger Bischof Gerhard Feige. Die Probleme der Menschen müssten ernst genommen werden, das erfordere Engagement der ganzen Gemeinschaft.

Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg / © Harald Oppitz (KNA)
Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg / © Harald Oppitz ( KNA )

In der Debatte über Populismus und die AfD wirbt der Magdeburger Bischof Gerhard Feige für den Dialog. Es sei wichtig, über Inhalte und bestimmte Werte wie die Menschenwürde, die für alle gelte, zu sprechen, sagte Feige in der MDR-Radiosendung "Kultur-Werkstatt", die an diesem Dienstag um 22 Uhr ausgestrahlt wird. "Man kann an keiner Spaltung der Gesellschaft interessiert sein", so der Bischof. Polarisierung sollte nicht gefördert werden, Hass und Hetze dürften nicht verbreitet werden. Demokratische Gesellschaften setzten vielmehr auf Kompromisse.

"Demokratie ist anstrengend"

Zurzeit der politischen Wende 1989/90 habe er nicht gedacht, dass sich die Lage in den nächsten 30 Jahren so verändern werde, sagte Feige. Das mache ihm Sorge und auch Angst. Feige betonte: "Freiheit fordert heraus, man muss sich entscheiden." Und: "Demokratie ist anstrengend, fordert das Engagement der ganzen Gemeinschaft." Es gebe Probleme, Ängste und Sorgen bei den Menschen, die man ernst nehmen müsse. Mit Blick auf Populismus betonte der Bischof: "Das ist kein reines Ostproblem." Auch in den Kirchen gebe es Personen, Gruppen und Kreise, "die populistischer denken, als es erwünscht wäre".

Die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann sagte in demselben Interview, dass die AfD stark mit den Ängsten der Menschen arbeite. Eine Angst in Ostdeutschland sei die vor einer neuen großen Veränderung: Die erste, die Wende, habe zwar viel gebracht, aber auch viel genommen. Es gebe noch immer ein Gefühl der Benachteiligung, das sich etwa in niedrigeren Löhnen und der demografischen Entwicklung zeige. Sie räumte ein: "Die Beheimatungskraft der Kirchen ist nicht mehr so groß."

Engagement auch hinsichtlich der Veränderungen in der Kirche

Angesichts von Veränderungen in der Kirche und sinkender Mitgliederzahlen setzt Bischof Feige auf das Engagement der einzelnen Gläubigen. "Mehr denn je sind, glaube ich, auch die Einzelnen gefragt", sagte er. "Wir sind nicht nur Dienstleistungseinrichtung für religiöse Bedürfnisse." Jeder Getaufte und Gefirmte sei ein Glied der Kirche mit Verantwortung.

Prognosen zufolge werden die großen Kirchen in Deutschland 2060 nur noch halb so viele Mitglieder haben wie heute. Auch ihre finanziellen Möglichkeiten werden sich in etwa halbieren. Das geht aus der Studie des Forschungszentrums Generationenverträge (FZG) der Universität Freiburg hervor.

Katholische Kirche mit weniger Verlusten als evangelische 

Den Berechnungen zufolge wird die Zahl der Mitglieder von 44,8 Millionen im Jahr 2017 bis 2035 auf 34,8 Millionen zurückgehen (minus 22 Prozent) und bis 2060 auf 22,7 Millionen (minus 49 Prozent). Dabei wird die katholische Kirche (minus 48 Prozent) etwas weniger Mitglieder verlieren als die evangelische (minus 51 Prozent).

Die "Gestalt von Kirche" könne und werde sich verändern, so Feige. Entscheidend sei aber, "ob wir unserer Aufgabe gerecht werden". In der Kirchengeschichte habe es immer Veränderungen gegeben. "Die Gestalt der Kirche wird sich dramatisch verändern." Kirche könne aber lebendig bleiben. "Wir wollen eine schöpferische Minderheit" im ökumenischen Geist sein", betonte der Bischof. Eine Minderheit könne klein sein, aber etwas bewirken.

Die Chemie zur Landesbischöfin Junkermann stimmt

Bischof Gerhard Feige und die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann haben gegenseitig ihre Sympathie und Wertschätzung bekundet. Es sei ein "großes Geschenk" gewesen, dass Feige zu ihrem 60. Geburtstag gesagt habe: "Ich bin dankbar und froh, dass Gott Sie aus Baden-Württemberg hierher geführt hat", so Junkermann in der MDR-Radiosendung "Kultur-Werkstatt". Die Sympathie sei wechselseitig gewachsen.

Als "Traumpaar der Ökumene" wollten sich allerdings beide nicht bezeichnen lassen. "Das ist zu festgelegt, dass passt nicht", sagte die Bischöfin. "Aber ich würde sagen: beste Freunde, gute Partner." Feige bekundete in demselben Interview: "Die Chemie stimmt." Junkermann ergänzte: "Und das Anliegen."

Zudem haben die beiden Kirchenvertreter das ökumenische Miteinander in ihrer Region gewürdigt. Christen seien in der Minderheit, lebten aber in einer gemeinsamen Gegenwart, sagte Junkermann. Auf der Ebene der Landeskirche und des Bistums sei man auf dem Weg, voneinander zu lernen. Dies scheine ihr ein guter Weg zu sein: "kein Einheitsbrei, sondern schauen, was können wir voneinander lernen und dann miteinander tun".

Bischof Feige betonte, dass Entkirchlichung und Säkularisierung "uns hier dichter zueinanderrücken lassen". Ebenso wie Junkermann würdigte er das gemeinsame Begehen und voneinander Lernen im Zuge des vergangenen Reformationsgedenkens. Das Gedenken sei insgesamt ein "fruchtbares Ereignis für beide Seiten geworden".

Sensibler Umgang mit Missbrauch

Unterdessen müsse die katholische Kirche mit dem Thema Missbrauch ernsthaft und sensibel umgehen. Fällen müsse intensiv nachgegangen werden, auch in Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften, sagte Feige in der MDR-Radiosendung. "Enorm viel" müsse im Bereich der Prävention getan werden. "Nur auf diesem Weg, wenn wir es ernst nehmen, kann es sein, dass wir Vertrauen wieder gewinnen."

Feige nahm auch Bezug auf die MHG-Studie, nach der in den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 Hinweise auf bundesweit 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden wurden. Wissenschaftler hätten gesagt, dass weder Zölibat noch Homosexualität und die Sexualmoral der Kirche alleine als Ursachen anzusehen seien. Alle drei jedoch seien "ermöglichende Faktoren". Feige betonte: "Und da müssen wir eben sehen, welche Bedeutung haben die für das Phänomen und was muss da verändert werden."


Landesbischöfin Ilse Junkermann  / © Norbert Neetz (epd)
Landesbischöfin Ilse Junkermann / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA