Alexandre Dumas machte sie zur Romanheldin, Victor Hugo brachte sie auf die Theaterbühne, und Gaetano Donizetti verdankt ihr einen seiner Opernerfolge. Sie ist Hauptfigur von Filmen und TV-Serien, sogar in einem Computerspiel taucht sie auf. Lucrezia Borgia, die Papsttochter und Renaissancefürstin, die vor einem halben Jahrtausend, am 24. Juni 1519, im Alter von nur 39 Jahren an Kindbettfieber starb.
Ob Roman, Oper oder Film - nirgendwo kommt Lucrezia gut weg. Sie wird als Femme fatale dargestellt, als blutschänderische Ehebrecherin und machtbesessene Giftmischerin, die - wenn auch aus Versehen - selbst den eigenen unehelichen Sohn ins Jenseits befördert.
Spielball der Mächte
Heutige Historiker freilich zeichnen ein anderes Bild: "Lucrezia wurde in eine der dramatischsten und bis heute faszinierendsten Epochen der italienischen und europäischen Geschichte geboren", schreibt Friederike Hausmann in ihrer neuen Biografie der Herrscherin. Auch wenn sie lange Jahre in Rom im Zentrum der Macht gelebt habe, sei sie letztlich doch nur eine Randfigur gewesen, ein Spielball jener Mächte, die sich damals in Italien um die Vorherrschaft stritten.
Von Ehrgeiz zerfressen war demnach nicht Lucrezia, sondern ihr Vater, der spanische Kardinal Rodrigo Borja, der seinen Namen in Italien in Borgia umgewandelt hatte. Mit elf Jahren verlobt er seine Tochter zum ersten Mal. Schon nach einem Jahr wird die Verlobung wieder gelöst, weil ihm eine andere Partie lukrativer erscheint. Doch auch dieser zweite Bräutigam bekommt seine Braut nie zu Gesicht. Vater Borgia, mittlerweile als Alexander VI. zum Papst avanciert, hält die Ehe für nicht mehr standesgemäß.
Ein dritter Mann
Es dauert nicht lange, da steht ein dritter Mann parat: Giovanni Sforza, Sprössling des mächtigen Mailänder Adelsgeschlechts, das die Papstwahl des Borgia-Kardinals unterstützt hatte. 1493 - Lucrezia ist gerade mal 13 - wird die Ehe in Rom geschlossen. Doch der Bund hält nur vier Jahre. Weil sich die Sforzas mit den Borgias verkrachen, betreibt der Papst die Auflösung der Ehe.
Die Idee, seine Tochter machtpolitisch günstig zu verheiraten, gibt er dennoch nicht auf. Um die Beziehungen zum Königreich Neapel zu festigen, vermählt er Lucrezia 1498 mit Alfonso von Aragon, einem Verwandten des neapolitanischen Königshauses. Doch auch hier gibt es Streit. Alfonso wird getötet, vermutlich auf Anweisung des Papstes. Lucrezia ist erschüttert.
Die dritte und letzte Ehe
Doch Alexander VI. lässt nicht locker. Mit Alfonso d'Este von Ferrara hat er schon einen weiteren Bräutigam im Visier. "Mit dieser Heirat", so Hausmann, "war Lucrezia von Anfang an einverstanden, denn diese bot als einzige die Aussicht, weitab von Rom, aber doch in Italien zu bleiben." 1501 wird diese dritte und letzte Ehe geschlossen. Acht Kinder gehen daraus hervor, von denen aber nur vier das Erwachsenenalter erreichen.
In Ferrara blüht Lucrezia auf. Alfonso baut die Universität zu einer der führenden Lehranstalten aus, der Hof wird zum Treffpunkt für Künstler und Gelehrte. Lucrezia betätigt sich derweil als Unternehmerin - und legt dabei, so Hausmann, "Eigenständigkeit und Weitsicht" an den Tag. Im ganzen Herzogtum erwirbt sie Ländereien, lässt Sümpfe trockenlegen und das Land urbar machen. Und: Sie kümmert sich eigenhändig um die Verwaltung der Güter, wie alte Rechnungsbücher zeigen.
Feinde der Familie Borgia
All das ruft Neider auf den Plan. Feinde der Familie Borgia streuen Gerüchte von außerehelichen Affären. Unter anderem soll sie inzestuöse Verhältnisse zu ihrem Vater und einem Bruder unterhalten und Orgien organisiert haben. Ihre vermeintliche Religiosität sei pure Heuchelei gewesen.
Aus den Quellen lässt sich all das nicht nachweisen. Wohl aber, welch innige Beziehung Lucrezia zu ihrem letzten Ehemann unterhalten hat. "Ich kann nicht ohne Tränen in den Augen schreiben, so schwer ist es für mich, mich einer so süßen Gefährtin beraubt zu sehen, wie sie es wegen ihrer guten Art und der zärtlichen Liebe, die zwischen uns herrschte, für mich war", schreibt Alfonso nach Lucrezias Tod an seinen Neffen. Von einer grausamen Ehebrecherin hätte er das wohl kaum gesagt.