Moraltheologe zum Peta-Barbecue mit Hundeattrappe

Warum Christen ihren Fleischkonsum reduzieren sollten

Eine täuschend echte Hundeattrappe auf einem Grill mitten in der Fußgängerzone – mit dieser Aktion macht die Organisation Peta mobil gegen Fleischkonsum. Eine christliche Einordnung von Moraltheologe Michael Rosenberger. 

Peta schockiert mit Hundeattrappe auf Standgrill / © NN (Peta Australia)
Peta schockiert mit Hundeattrappe auf Standgrill / © NN ( Peta Australia )

DOMRADIO.DE: In diesen Tagen werden beim Hundefleisch-Festival in der chinesischen Stadt Yulin mehr als 10.000 Hunde geschlachtet und gegessen. Anlass für die Tierschutzorganisation Peta, mit einer Aktionsreihe in deutschen und österreichischem Fußgängerzonen für Aufsehen zu sorgen: Eine täuschend echte Hundeattrappe liegt auf einem Standgrill, umgeben von Plastikgemüse. Dazu stellen die Tierschützer die Frage: "Wenn Sie keinen Hund essen würden, warum dann ein Schwein?". Herr Rosenberger, was halten Sie von dieser Aktion?

Prof. Dr. Michael Rosenberger (Priester und Moraltheologe, Prorektor an der  an der Katholischen Privatuniversität Linz): Zunächst einmal ist die Überlegung von Peta, dass es um ein Tier geht, was bei uns extrem beliebt ist und was wir in Europa nie essen oder umbringen würden. Und über dieses Tier will Peta zum Nachdenken über den Verzehr von Fleisch insgesamt anregen und etwas anstoßen. Das finde ich zunächst einmal nicht ganz verkehrt. Es ist für uns etwas ungewohnt, das Thema so anzuschauen. Aber ungewohnte Perspektiven bieten ja oft auch die Chance, dass man noch einmal auf neue Gedanken kommt, die man vorher so nicht gesehen hat.

DOMRADIO.DE: Auch, wenn der Hund nicht echt ist, wirken die Bilder trotzdem verstörend. Ist so eine Schock-Aktion angemessen, wenn man auf Tierwohl aufmerksam machen will? Es könnten Kinder das sehen und ein bisschen traumatisiert werden.

Rosenberger: Das ist immer eine schwierige Abwägungsfrage. Wenn die Aktionen, die wir im politischen Leben setzen, zu harmlos und zu naiv sind, dann bewirken sie nichts. Dann kann man niemanden motivieren, etwas an seinem Verhalten zu ändern oder sich für eine Sache einzusetzen. Wenn man sie zu drastisch macht, wenden sich die Leute ab, sagen: "Das ist alles übertrieben" und lehnen das Ganze umso mehr ab. Da die Balance zu finden, ist gar nicht so einfach.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Die alttestamentlichen Propheten haben zum Teil auch schon sehr drastische Zeichensetzungen gehabt, die sie vollzogen haben. Das hat also durchaus auch in unserer religiösen Tradition einen Ort. Dass Kinder da mal ein Stück weit schockiert werden können, mag schon sein. Auf der anderen Seite muss man natürlich ehrlicherweise sagen: Es bringt auch nichts, wenn wir den Kindern all diese Bilder und Auseinandersetzungen ersparen, die zu unserer Wirklichkeit dazugehören.

DOMRADIO.DE: Sie haben es ein bisschen anders und weniger extrem gemacht. Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel "Wie viel Tier darf´s sein". Darin beschäftigen Sie sich mit ethisch korrekter Ernährung aus christlicher Perspektive. Wie viel Tier darf's denn sein?

Rosenberger: Jedenfalls mehr als Null, aber weniger als das, was wir momentan essen. Es gibt verschiedene Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Das eine ist das Tierwohl. So viel Fleisch, wie wir momentan essen, können wir nicht produzieren in einer Weise, die dem Tier gerecht wird. Wo das Tier also entsprechend große Auslaufflächen hat, wo es soziale Verbände hat, in denen es gut mit den anderen Tieren interagieren kann, wo es artgerecht und seinen Bedürfnissen gerecht leben kann. Diese Haltung können wir mit der momentanen Menge an Fleisch, die wir essen, nicht gewährleisten. Das heißt, wir müssen tatsächlich unseren Fleischkonsum deutlich zurückfahren.

Das hat auch etwas mit Klimaschutz zu tun, weil Fleischproduktion auch starke Auswirkungen auf den Treibhauseffekt hat. Und das hat auch etwas mit unserer Gesundheit zu tun. Denn letztendlich sagt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sehr klar: Ein Drittel bis ein Viertel des Fleischkonsums, den wir momentan in Deutschland haben, wäre gesund. Da konvergieren also Tierschutz-Argumente, Klimaschutz-Argumente und Argumente der Gesundheit. Als viertes könnte man auch das Argument der Welternährung hinzufügen. Denn de facto füttern wir momentan einen guten Teil unserer Tiere mit Getreide, mit Soja, mit anderen Lebensmitteln, die eigentlich auch für den menschlichen Verzehr geeignet wären.

DOMRADIO.DE: Und wie können wir alles als Christ irgendwie in Einklang bringen?

Rosenberger: Für mich würde das heißen: wirklich deutlich den Fleischkonsum reduzieren. Früher - vor 50 oder 60 Jahren - hatte man vielleicht an zwei, maximal an drei Tagen in der Woche Fleisch gegessen. Die Portionen waren entsprechend kleiner. Wenn wir das täten, dann könnten wir auch sehr viel genauer hinschauen, wie dieses Fleisch produziert wird, woher es kommt, welche Tierhaltung dahintersteht. Wir könnten schauen, dass wir Fleisch aus einer ökologischen Landwirtschaft oder aus einer sehr artgerechten Tierhaltung kaufen. Das kostet natürlich dann entsprechend mehr. Aber wenn man weniger davon isst, kann man das dadurch wieder ausgleichen.

DOMRADIO.DE: Die unterschiedlichen Religionen haben ja sehr unterschiedliche Speisevorschriften. Das Christentum scheint irgendwie relativ liberal zu sein. Stimmt das?

Rosenberger: Ja, in einer Weise ist das Christentum sehr liberal, weil es nicht das Essen bestimmter Tiere verbietet. Die meisten anderen Religionen haben solche Tabus, wo man bestimmte Tiere eben nicht isst. Das Christentum hat das so nicht. Insofern ist es vergleichsweise liberal. Aber wir haben eine lange Tradition der Hochschätzung des Mönchtums. Und das Mönchtum war von seinem Ursprung her eigentlich immer eine Lebensweise, die vegetarisch war.

Das hat zwar heute in den meisten Klöstern so keine Wirklichkeit mehr. Aber im Grunde genommen wäre das natürlich ein Punkt, wo wir zurück müssten an unsere Ursprünge. Wir könnten sagen: Wir wertschätzen es, wenn es im Rahmen der Kirche Menschen gibt, die ganz auf Fleisch verzichten und vegetarisch leben, weil uns darin eine besondere Beziehung Gottes zu den Tieren deutlich gemacht wird.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Michael Rosenberger / © privat (DR)
Michael Rosenberger / © privat ( DR )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema