DOMRADIO.DE: Bis 2015 war Erwin Kräutler Bischof der riesigen Amazonas-Diözese Xingu, einem Bistum so groß wie ganz Deutschland. Als Kämpfer für die Rechte der Ureinwohner und Landlosen wurde er weltberühmt. Er protestierte gegen riesige Staudammprojekte und die rücksichtslose Abholzung des Regenwaldes. Das brachte ihm nicht nur den Alternativen Nobelpreis ein, sondern auch zahlreiche Morddrohungen. Sie kennen Erwin Kräutler aus gemeinsamen Projekten. Was ist das für ein Mann?
Stefan Jentgens (Geschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat): Er ist sehr beeindruckend. Er ist jemand, der mit einer großen Eindeutigkeit, aber auch einer bewundernswerten Ausdauer, sehr vernetzt katholisch, politisch aktiv ist. Ich habe ihn persönlich kennengelernt und kann sagen, dass er ein sehr geerdeter und auf die Leute zugehender Mensch ist, der in vielen Dingen total präsent ist. Das ist wirklich bewundernswert.
DOMRADIO.DE: Er muss ja auch jede Menge Energie haben, oder?
Jentgens: So ist es. Er ist voller Energie. Wenn sich die Gelegenheit bietet, persönlich etwas nach Brasilien herüber zu bringen, was ihm für die Sache der Indigenen wichtig ist, dann nutzt er jede Gelegenheit.
DOMRADIO.DE: Wie hat Adveniat seine Arbeit bislang unterstützt?
Jentgens: Wir haben ihn an verschiedenen Stellen unterstützt, beispielsweise mit Bildungsprojekten für die Bevölkerung auf dem Land vor Ort. Junge Menschen sind ihm und Adveniat ein großes Anliegen. Und so waren wir da auch zusammen unterwegs.
Ganz besonders haben wir ihn in seinen Aktivitäten als Präsident des Indianer-Missionsrates der brasilianischen Bischofskonferenz, der CIMI, unterstützt. Seit vielen Jahren arbeitet diese für die Rechte der Indigenen im Hinblick auf Land, Wasser und die Möglichkeiten, in ihren Territorien zu leben.
Erwin Kräutler war da der Vormann, den wir gerne mit unterstützt haben, weil er die Sache eben nicht nur in Brasilien, sondern auch weltweit bekannt gemacht hat. Und das ist auch dringend notwendig gewesen.
DOMRADIO.DE: Bischof Kräutler ist auch einer der Berater von Papst Franziskus im Hinblick auf die Amazonas-Synode im Herbst. Dann werden die Bischöfe aus aller Welt zusammenkommen und über neue Wege für die Kirche vor Ort beraten. Welches Ergebnis wünschen Sie sich denn von dieser Synode?
Jentgens: Ich weiß, was sich Erwin Kräutler wahrscheinlich wünschen wird, und da ticken wir ähnlich. Wir wünschen uns, dass für die Lunge der Welt und für das Wasserreservoir der Welt entschiedene und klare Beschlüsse gefasst werden. Weiter wünschen wir uns, dass sich die Kirche in dieser Hinsicht einig zeigt, stark macht und weltweit den Einfluss, den sie hat, nutzt. Das ist der eine Teil.
Der andere Teil bezieht sich auf die Kirchenentwicklung. Papst Franziskus hat an das gemeinsam pilgernde Volk in Deutschland jüngst einen Brief geschrieben. Und genau das ist der Punkt. Es geht um das gemeinsame Verantworten von Kirche.
Die sogenannten "viri probati" (Das lateinische "viri probati" (Einzahl: "vir probatus") bedeutet wörtlich "bewährte Männer". In der Diskussion um die Voraussetzungen für das Priesteramt in der römisch-katholischen Kirche steht dieser Ausdruck für die Überlegung, bewährte verheiratete Männer zur Weihe zuzulassen, Anm. d. Red.) sind für uns da wichtige Punkte. Es sind Menschen, die vor Ort jetzt schon Verantwortung übernehmen. Wichtig wäre, dass die Menschen, die vor Ort leben, auch das Recht auf die Eucharistiefeier erfüllt bekommen. Von daher glauben wir, dass wir aus der Amazonas-Synode gute und wichtige Impulse auch für Deutschland und Europa bekommen werden, für die Erwin Kräutler steht.
DOMRADIO.DE: An diesem Freitag wird "Dom Erwin", wie er auch genannt wird, 80 Jahre alt. Was wünschen Sie ihm zum Geburtstag?
Jentgens: Kraft und Klarheit, um möglichst lange für die Menschen und die Umwelt im Amazonasgebiet kämpfen zu können. Denn für alle Menschen ist das Überleben des Amazonas auch gleichzeitig das Überleben unseres Planeten.
Das Interview führte Heike Sicconi.