DOMRADIO.DE: Sie haben am Dienstagabend den Gedenkgottesdienst gehalten, der ausschließlich für die Hinterbliebenen war, also nicht für die Öffentlichkeit. Wie geht es den Opfern und den Angehörigen neun Jahre nach dieser schlimmen Katastrophe?
Jürgen Widera (Evangelischer Pfarrer und Ombudsmann der Stadt Duisburg): Das kann man nicht so pauschal beantworten, weil Trauer sehr individuell ist und die Angehörigen auch unterschiedlich mit dem Verlust umgegangen sind und umgehen. Sicherlich war es für viele ein einschneidendes Erlebnis vor einem halben Jahr, als das Gericht ankündigt hat, den Prozess für sieben Angeklagte einzustellen – für drei geht er ja noch weiter.
Da waren die Emotionen sehr stark. Da waren auch viele der Angehörigen gekommen, um sich die Erklärung des Gerichts anzuhören. Und da gab es viel Unverständnis und Empörung auf der einen Seite. Auf der anderen Seite gab es aber auch diejenigen, die gesagt haben, es sei ihnen nie um eine Verurteilung gegangen, sondern um Aufklärung, wie es zu der Katastrophe kommen konnte und was da falsch gelaufen ist, dass ihre Kinder gestorben sind. Und da hat der Prozess schon einiges zutage gebracht.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihr Eindruck, was bedeutet dieses öffentliche Gedenken für die Betroffenen?
Widera: Es gab erst sehr viel Skepsis aufseiten der Eltern, die die Trauer exklusiv für sich gehabt haben. Diese Skepsis ist aber dann doch dem Gefühl gewichen, dass es guttut, wenn andere mit dabei sind.
DOMRADIO.DE: Sie sind auch Ombudsmann für die Betroffenen. Was bedeutet das?
Widera: Ich habe 2013 dieses Amt angenommen, um ein unabhängiger Ansprechpartner für Leute sein, die Hilfe brauchen, die Fragen mit den Behörden haben oder mit den Versicherungen Probleme haben. Ein Ansprechpartner, von dem sie das Gefühl haben, der ist unabhängig und zu ihm können wir Vertrauen haben.
Es kommt immer noch vor, dass sich Leute melden, die Hilfe brauchen. Mittlerweile haben wir eine Stiftung gegründet, sodass ich nicht mehr alleine dafür zuständig bin. Manchmal war es aber auch nur ein seelsorgliches Gespräch, was gewünscht war und wo man mal abladen konnte, was so passiert ist.
DOMRADIO.DE: Können Sie das sagen, was sich Hinterbliebene am meisten wünschen? Gibt es so etwas, was viele verbindet?
Widera: Ich denke mal, man kann es auf den Punkt bringen: Sie wünschen sich, dass sie Ruhe bekommen. Dadurch dass die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte so lange gedauert hatten, dass wir uns jetzt im zehnten Jahr befinden, sind viele nicht zur Ruhe gekommen. Es ist immer wieder neu aufgebrochen. Deswegen, glaube ich, wünschen sich alle, dass sie Ruhe finden, um mit dem Geschehen so weit abschließen zu können, dass sie nicht ständig daran erinnert werden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.