DOMRADIO.DE: Deutschland ist ein Steuerparadies für Superreiche. Der Spitzensteuersatz ist über die Jahre von 53 auf 42 Prozent gesunken, die Erbschaftssteuer ist vergleichsweise niedrig und die Vermögenssteuer seit mehr als 20 Jahren abgeschafft. Die 45 reichsten Familien verfügen über so viel Vermögen wie die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Was sagen Sie zu einer höheren Vermögensteuer für Reiche?
Andreas Luttmer-Bensman (Bundesvorsitzender des katholischen Arbeitnehmerverbandes / KAB): Wir halten eine solche Steuer für vernünftig und sinnvoll. Dass sie ausgesetzt wurde, liegt ja daran, dass die Gerechtigkeitsfrage zwischen unterschiedlichen Vermögen gestellt war, aber Vermögen nicht grundsätzlich besteuert werden soll.
In einem Gemeinwesen brauchen wir gemeinsames Einkommen. Bei der jetzigen Verteilung des Vermögens ist es sinnvoll, denen, die viel haben, auch etwas für die Gemeinschaft abzuverlangen. So wie wir es im Grundgesetz auch mit der Verpflichtung des Einkommens und des Vermögens für die Gemeinschaft festgesetzt haben.
DOMRADIO.DE: Der Bund Katholischer Unternehmer ist der Ansicht, eine Vermögenssteuer wäre gar nicht gut, da dies am Ende mittelständischen Unternehmen schade, die ja auch Arbeitsplätze generieren. Das setze ein ganz falsches Zeichen. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Luttmer-Bensman: Erst einmal geht es auch um viele Vermögen, die privat da sind und die Menschen für sich haben, ohne einen Betrieb oder eine Einrichtung zu haben, die der Gemeinschaft zugutekommt. Und bei diesen ist es auf jeden Fall sinnvoll, über höhere Steuern nachzudenken.
Wir haben die Einkommenssteuern in den letzten Jahren deutlich gesenkt und die Vermögenssteuer abgeschafft. Das sind beides Steuern, die dringend wieder an unsere gesellschaftliche Entwicklung angepasst werden müssen. Das Geld, das zur Verfügung steht, wird im Moment eben nicht in dem Umfang gesellschaftlich eingesetzt wie wir es für notwendig halten.
DOMRADIO.DE: Was ist, wenn Menschen ihr Privatvermögen im Ausland bunkern? Auch das kann natürlich passieren, wenn diese Steuer kommt...
Luttmer-Bensman: Wir werden sicherlich auch international darüber nachdenken müssen, wie wir mit Vermögen umgehen. Es kann nicht sein, dass Vermögen aus Deutschland oder aus anderen Ländern der Welt irgendwo geparkt wird, um es dem Gemeinsinn zu entziehen.
DOMRADIO.DE: Kritiker werfen dem SPD-Chef vor, mit diesem Vorschlag lediglich Wahlkampf zu machen. Ist das auch Ihre Meinung?
Luttmer-Bensman: Es besteht durchaus diese Gefahr, - so kurz vor der Wahl in zwei östlichen Bundesländern - eine neue Idee durch die Welt zu jagen. Ich hoffe, dass das keine Eintagsfliege oder Wahlkampfdiskussion bleibt, sondern dass ernsthaft darüber diskutiert wird, wie wir gesellschaftlich Steuern so organisieren müssen, dass wir das, was wir gemeinschaftlich brauchen, auch bekommen.
Das Interview führte Verena Tröster.