Als Beispiel nannte er am Mittwoch in Berlin quälende Fragen nach einer moralischen Mitverantwortung, wenn Kameraden oder Zivilisten gestorben sind. Unter dem Begriff "Moral Injury" (dt.: Ethische Verletzung) steht das Thema im Mittelpunkt einer bis Freitag dauernden Konferenz der Katholischen Militärseelsorge.
Unterstützung in ethischen Krisen wird immer wichtiger
Solche Gewissensfragen würden bei den psychologischen Hilfen für posttraumatische Belastungsstörungen nur teilweise angesprochen, erklärte der Militärbischof. Sie seien aber ein zentrales Thema in der individuellen Militärseelsorge der beiden großen Kirchen sowie in deren lebenskundlichem Unterricht für Soldatinnen und Soldaten. Auch in den Angeboten für deren Familien werde Unterstützung in solchen ethischen Krisen immer wichtiger, da sie oft auch darunter litten.
Overbeck kündigte an, er werde das Thema bei seinem Gespräch mit der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ansprechen.
Fragen von "Schuld, Gewissen, Reue, Vergebung und Versöhnung"
Der Mediziner und Theologe Rupert Dirk Fischer erklärte, "Moral Injury" bedeute eine tiefgreifende Verletzung zentraler moralischer Überzeugungen. Sie führe dazu, dass persönliche Werte und Normen infrage gestellt würden. Nachrangig sei dabei, ob der Betroffene selbst gehandelt habe oder nur Zeuge eines traumatisierenden Vorgangs gewesen sei.
Nach einer "tiefgreifenden Erschütterung" gehe es um Fragen von "Schuld, Gewissen, Reue, Vergebung und Versöhnung", so der Leiter der Lehr- und Forschungsstelle für Wehrmedizinische Ethik an der Sanitätsakademie der Bundeswehr.
Fischer betonte, diese Problematik sei ein wichtiges Argument für eine umfassende ethische Bildung von Soldaten, wie sie der lebenskundliche Unterricht anstrebe. Ethische Ausbildung habe nicht nur zum Ziel, eigene Wert- und Normvorstellungen zu schärfen, sondern auch die Fähigkeit, eigene Werte und Normen und mögliche Konflikte damit zu formulieren.