Theologe kritisiert Klimapaket der Bundesregierung

Wenn das riesige Paket zur Postsendung wird

Das Klimapaket der Bundesregierung ist beschlossen. Aber viele sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Auch die Kirchen müssten lauter werden, wenn es um den Schutz der Schöpfung geht, findet der katholische Theologe Gregor Taxacher.

Wald und Natur (Schöpfung) / © Dzmitrock  (shutterstock)
Wald und Natur (Schöpfung) / © Dzmitrock ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie das Klimapaket ein?

Dr. Gregor Taxacher (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für katholische Theologie an der TU Dortmund): Ich kann mich diesen - vor allen Dingen negativen - Kommentaren nur anschließen. Ich finde es erschreckend. Ich finde erschreckend, wie schwach dieses Konzept der Bundesregierung angesichts dessen ist, was am selben Tag nochmal durch die großen Demonstrationen deutlich wurde.

Nämlich, dass wir eine strukturelle Umsteuerung unserer Wirtschaft und unserer Lebensweise brauchen, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Stattdessen wird jetzt ein bisschen an der Steuerschraube gedreht, was Bahntickets oder Pendlerpauschalen angeht. Das kann man machen, wenn man steuerpolitisch mal wieder irgendwelche Initiativen setzen will. Aber ich finde, das hat mit wirklicher Klimapolitik sehr wenig zu tun.

DOMRADIO.DE: Sagen Sie das als Privatperson oder auch in Ihrer Eigenschaft als katholischer Theologe?

Taxacher: Das sage ich zunächst mal natürlich als Privatperson. Als Mensch, der am Freitag mit der ganzen Familie und einem Sohn, der noch in der Schule ist - also auch zu den Initiatoren von "Fridays for Future" dazu gehört - auf der Straße gewesen ist, und als Bürger dieses Landes.

Ich sage das aber auch als katholischer Theologe. Ich kann mich nicht kompetent in jede kleine Fachfrage der Politik einmischen. Das ist nicht die Aufgabe eines Theologen. Aber wenn ich denke, was unser Papst in der Umwelt-Enzyklika "Laudato si" gesagt hat, dann ist das eine offizielle kirchliche Forderung.

Die Forderung, dass wir unsere gesamte Ökonomie und unsere Wirtschaft auf diese Herausforderungen hin verändern und umbauen müssen. Das ist nebenbei gesagt - oder noch nicht mal nur nebenbei gesagt - auch etwas, was ich vermisse.

Dass auch unsere Kirchen hierzulande da wesentlich lauter und deutlicher etwas zu sagen. Sie tun es. Sie solidarisieren sich zum Teil - jedenfalls in Gestalt einzelner Bischöfe. Aber auch da würde ich, von diesem päpstlichen Wort her gesehen, sagen: Da wäre eigentlich mehr drin. Da wäre jetzt auch mehr kirchlicher Aufschrei vonnöten.

DOMRADIO.DE: Sie sagen es selbst: Ein päpstliches Wort, ein Papier. Lässt sich da auch eine Glaubens-Kurve in das Thema Klimaschutz und Naturschutz hineindenken?

Taxacher: Auf jeden Fall. Das tut der Papst ja mit dem Titel "Laudato si", der auf Franz von Assisi anspielt. Es geht in diesem Sonnengesang, aus dem dieses Zitat genommen ist, um die Geschwisterlichkeit. Um die Geschwisterlichkeit der Geschöpfe, also der Menschen mit ihren Mitgeschöpfen. Oder anders ausgedrückt: Es geht auch um einen Blick, der eben nicht mehr rein anthropozentrisch ist.

Ein Blick, der nicht mehr sagt: Unsere ganze Schöpfung ist dazu da, dass wir Menschen sie gebrauchen, vielleicht auch verbrauchen und am Ende ausgenutzt zurücklassen können. Bekannt ist, dass das sowieso auf uns zurückschlägt und dass wir Menschen am Ende die Leidtragenden sein werden.

Aber aus einer Glaubensperspektive heraus ist das noch nicht mal die einzige Geschichte. Sondern es geht, was Artensterben und die vollkommene Veränderung unserer Biosphäre, die wir Menschen zurzeit anrichten, angeht, wirklich auch um die religiöse Frage der Schöpfung, die uns anvertraut ist. Das ist der Schöpfungsbericht nach Genesis. Dieser berühmt berüchtigte Auftrag zum Herrschen ist an sich ein Auftrag zu einer Pflege, ein Verantwortungsauftrag. Und dem haben wir gerecht zu werden.

DOMRADIO.DE: Sie sagten, Sie würden sich selbst sehr viel mehr Engagement für den Klimaschutz in den Gemeinden und in den einzelnen Kirchen wünschen. Was meinen Sie da konkret?

Taxacher: Bei dem, was ich eben sagte, spielte ich tatsächlich nicht nur auf die Gemeinden, sondern auf unsere Kirchenleitungen an, auf die politische Ebene. Wir reden jetzt über ein Klimapaket der Bundesregierung. Ich würde mir wünschen, dass unsere Kirchen, also unsere Kirchenleitungen, politisch bei diesem Thema genauso laut sind wie sie - für mich erfreulicher- und glücklicherweise - in den letzten Jahren etwa bei den Themen Flucht, Migration und Menschenrechte von Flüchtlingen laut geworden sind.

Da hat sich die Kirche in den letzten Jahren erfreulicherweise zu einer größeren Deutlichkeit durchgerungen und gesagt: Das ist unser Thema, weil es ein genuin christliches Thema ist, zu dem wir nicht schweigen können.

Und ich meine, dass dies bei dem Thema "Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen" und bei der Verantwortung des Menschen für die Biosphäre ebenfalls der Fall ist. Ich meine da zunächst tatsächlich auch das politische, öffentliche und lautstarke Agieren der Kirchen als öffentliche Organisationen.

In den Gemeinden sehe ich auch schon viel, aber natürlich muss das dann auch praktische Politik werden. Auch bei den Kirchen selber und bei der Frage: Wie gehen wir mit unseren Energien um? Wo beziehen wir unsere Energien her? Auch da würde ich mir mehr Aktivität wünschen.

DOMRADIO.DE: Also sollten sie in erster Linie lautstark ein Signal an die Politik geben, damit das nächste Klimapaket auch eins wird, das den Namen verdient?

Taxacher: Richtig. Wenn ich es richtig verstehe, besteht die Hauptbegründung der Bundesregierung, warum dieses Klimapaket jetzt zu einer Postsendung geworden ist, darin, dass man sagt: Man kann dem Bürger nicht mehr zumuten. Das sei dann nicht mehr vermittelbar. Vermutlich denkt man an die nächsten Wahlkämpfe.

Gerade da, denke ich, wären die Kirchen sehr gefordert. Weil sie Institutionen sind, die für die Wahrheit einstehen und auch nicht gewählt werden. Wir - und ich nehme mich da mit in die Verantwortung als Theologe und Kirchenvertreter - hätten alle die Aufgabe, den Leuten zu sagen: "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar." Das ist ein Zitat der Dichterin Ingeborg Bachmann, das ich sehr liebe. Damit die Leute nicht für dumm verkauft werden. Es ist erschreckend, für wie schwach man unsere Bürger hält. Unsere Bürger sollen im Ernst glauben, wir können die Klimaherausforderung retten, indem wir die Mehrwertsteuersätze bei der Bundesbahn verändern?

Das Interview führte Andreas Lange.


Quelle:
DR
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