Dogmatikerin zu Forderungen nach Stimmrecht für Frauen auf der Amazonas-Synode

"Die Vergangenheit ist kein Präjudiz für die Zukunft"

An der Amazonas-Synode nehmen auch 35 Frauen teil. Einige Bischöfe wollen ihnen nun ein Stimmrecht einräumen. Ist das realistisch und welche Folgen hätte das auf die Weltkirche? Fragen an die Dogmatik-Professorin Julia Knop.

Abstimmung auf der Synode: Für Frauen nicht erlaubt / © Nutthaseth Van (shutterstock)
Abstimmung auf der Synode: Für Frauen nicht erlaubt / © Nutthaseth Van ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Aus dem Vatikan kommen zurzeit Schlagzeilen von der Amazonassynode. Dort haben grundsätzlich nur Bischöfe Stimmrecht - schließlich ist es eine Bischofssynode. Es gab aber schon Ausnahmen, zum Beispiel für Ordensobere. Eine Gruppe von Bischöfen hat sich nun dafür ausgesprochen, dass auch Frauen ein Stimmrecht bei der Bischofssynode im Vatikan haben sollen. Wie finden Sie das?

Prof. Julia Knop (Lehrstuhl für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt): Ich finde das super. Und es ist tatsächlich eine Prinzipienfrage. Von der Art und Weise, wie man mit dieser Forderung umgeht und wie man sich schlussendlich entscheidet, wird vieles abhängen. Der Anlass war, wenn ich das richtig im Kopf habe, die Jugendsynode 2018, bei der zwei Ordensbrüder – also nicht geweihte Männer – Stimmrecht erhalten hatten. Damit wurde das Prinzip, dass die (Bischofs-) Weihe Voraussetzung für Entscheidungsvollmacht in der Kirche ist, durchbrochen. Männliche Laien wurden den Synodalen gleichgestellt. Die Begründung war interessant: "damit sie nicht diskriminiert werden". Das ist eine neue Perspektive. Denn Diskriminierung, ob nun von Laien allgemein oder speziell von Frauen, ist eine Kategorie, die in der römisch-katholischen Kirche offiziell nicht relevant ist. Da wird immer gesagt: Die geschlechterbezogene Ungerechtigkeit, die wir zweifelsfrei haben, sei überhaupt keine Diskriminierung, weil Frauen etwas ganz anderes seien als Männer. Bei den beiden nichtgeweihten Synodenteilnehmern wollte man Diskriminierung überwinden. Es wäre absurd, diese Gleichstellung nur für männliche Laien gelten zu lassen, wenn einmal das Prinzip des Weihevorbehalts durchbrochen ist. Wenn männliche Laien mitentscheiden können, müssen weibliche Synodenteilnehmerinnen dies ebenso können. Damit wäre ein sehr prinzipieller, grundsätzlicher Schritt getan: Die Exklusion der Laien von der Gestaltung der Kirche wäre überwunden, und zwar unabhängig von ihrem Geschlecht. Männer und Frauen wären, was ihre Teilnahme an kirchlicher Leitung angeht, einander endlich gleichgestellt. Da müsste man natürlich auch nach weiteren Konsequenzen fragen.

DOMRADIO.DE: Sie sind Dogmatikern: Was können Frauen erreichen und was nicht?

Knop: Das kann man nicht dogmatisch beantworten. Das ist eine Frage der geschichtlichen Entwicklung und der innerkirchlichen Abstimmung. Wir haben ja ganz unterschiedliche Amtsgestalten in der Kirche gehabt. Diese Idee, dass das Amtsverständnis immer ein und dasselbe gewesen sei, stimmt einfach nicht. Das muss man historisch und dogmatisch viel differenzierter betrachten. Wir haben zu anderen Zeiten z.B. Äbtissinnen gehabt, die viel weiter reichende Befugnisse hatten als es heute der Fall ist. Die kirchlichen Ämter entwickeln sich – nicht zuletzt durch Erfahrungen, die man in gesellschaftspolitischen Zusammenhängen macht. Was morgen möglich ist, muss gestern noch nicht der Fall gewesen sein. Und was gestern war, lässt sich nicht einfach auf übermorgen übertragen. Die Vergangenheit ist kein Präjudiz für die Zukunft. Solche historische Gelassenheit würde ich mir tatsächlich mal zurückwünschen. Wir müssen zudem wieder auf eine Spur kommen, in der das Argument zählt, die theologische Expertise, nicht einfach formale Autorität oder die Konstruktion ungebrochener Kontinuität, die es so weder in der Wirklichkeit noch in der Lehre gegeben hat.

DOMRADIO.DE: In Deutschland ist nun der "Synodale Weg" in der Planung. Kardinal Marx hat in München vor kurzem seine neue Verwaltungschefin vorgestellt. Geht das in Ihren Augen in die richtige Richtung?

Knop: In die richtige Richtung sicher. Man ist, glaube ich, auf einem guten Weg. Guten Willen sehe ich bei sehr vielen Beteiligten. Man wird allerdings nicht mit ein paar Neueinstellungen von Frauen oder durch neu konzipierte Stellen die grundlegende strukturelle Ungerechtigkeit in der Kirche aufheben. Da liegt der Verdacht nah, dass solche „Frauen-Ämter“ bloß zur Beschwichtigung dienen: "Wir machen doch etwas, soweit wir können". Aber die grundlegende Frage nach Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche, die sehr viel damit zu tun hat, welche Glaubwürdigkeit diese Kirche im 21. Jahrhundert überhaupt noch hat, ist damit nicht gelöst. Das sieht man auch an vielen bischöflichen Reaktionen auf Maria 2.0. Das sind hoch engagierte Frauen, die aus dem innersten Kern der Kirche kommen. Es sind nicht die, die ohnehin schon immer dagegen waren oder Krawall gemacht haben. Es sind die Frauen, die das Gemeindeleben tragen. Hier zeigt sich der sensus fidelium in unübersehbarer Weise. Was von bischöflicher Seite anlässlich Maria 2.0 zu hören war, war jedoch in aller Regel eine Beurteilung. Man beanspruchte Deutungshoheit – Hierarchie im Urteil – und hat gefragt: "Ist das denn katholisch genug? Dürfen die das? Ist das eine richtige Interpretation von Kirche, vom Gottesdienst, von Maria?" In dieser Konstellation hat man das berechtigte Anliegen der Frauen in meinen Augen noch gar nicht verstanden.

DOMRADIO.DE: Aber ich höre da, ganz salopp formuliert: Man hat den Knall gehört?

Knop: Man hat den Knall gehört, ist aber noch ziemlich ratlos, wie man darauf zu reagieren hat. Man kann natürlich auch nicht einfach nur auf einen Knall reagieren. Da würde man sich ja wieder treiben lassen von Stimmungen oder Atmosphären. Das ist kein guter Weg, um eine wirklich reflektierte und praxisbezogene Neuorientierung vorzubereiten. Aber der "Synodale Weg" könnte ein guter Aufschlag sein, weil man dort in einer strukturierten Weise miteinander redet und Argumente austauscht, in einer ausgewogenen Zusammensetzung, in der das ganze Spektrum der Positionen zur Sprache kommen kann. Man lässt sich auch eine entsprechende Zeit, um miteinander neue Schritte zu gehen und überhaupt erst zu entwickeln.

DOMRADIO.DE: Der "Synodale Weg" wird ja aus dem Ausland, auch aus dem Vatikan, kritisiert. Im Großen und Ganzen scheint die Kritik – radikal verkürzt natürlich – zu sein: "Man kann Laien, auch Frauen, nicht grundlegende Glaubensfragen entscheiden lassen." Wie schätzen Sie das ein?

Knop: Das ist ein typisch römisch-katholischer Reflex, dass man nicht primär von Qualifikation und Kompetenz her denkt, die bekanntlich nicht geschlechtsspezifisch verteilt sind, sondern von amtlicher Autorität. Wenn man so tickt, ist das allerdings eine durchaus konsequente Position. Aber das muss man theologisch analysieren und das kann man mit guten Gründen kritisieren. Wir haben zudem in anderen Kirchen breite synodale Erfahrungen, in der die römisch-katholische Engführung von Entscheidungsmacht auf Amtsträger so überhaupt nicht gegeben ist – übrigens auch in Kirchen, die ein sakramentales Amtsverständnis haben, beispielsweise in der altkatholischen oder in der anglikanischen Kirche. Es gibt also ökumenische Beispiele, Optionen, von denen man katholischerseits lernen könnte. Und natürlich ist ein kirchlicher Entscheidungsprozess immer gut beraten, wenn das zentrale Kriterium der Entscheidungsfindung Kompetenz und nicht einfach formale Autorität ist.


Julia Knop / © Harald Oppitz (KNA)
Julia Knop / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
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