Neuregelung zum Werbeverbot für Abtreibungen als Maßstab

Fall Kristina Hänel erneut vor dem Landgericht Gießen

Seit März gilt das Gesetz zur Neuregelung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch. Wie sich die Reform auswirkt, wird sich in der bevorstehenden Neuverhandlung des Falls der Ärztin Kristina Hänel zeigen.

Autor/in:
Norbert Demuth
Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch / © Harald Oppitz (KNA)
Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Demonstranten haben sich schon angekündigt: Wenn am Donnerstag das Landgericht Gießen erneut über den Fall der Ärztin Kristina Hänel verhandelt, die unerlaubt für Abtreibungen geworben haben soll, wird vorher eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude stattfinden. "Solidarität mit Kristina Hänel", lautet das Motto. Das Landgericht wird dann darüber verhandeln, ob Hänel aufgrund der seit März geltenden neuen Rechtslage straffrei ausgehen wird.

Ihr Fall war es, der vor zwei Jahren in Deutschland eine kontrovers geführte Debatte darüber ausgelöst hatte, welche Informationen Ärzte zu Schwangerschaftsabbrüchen geben dürfen, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden. Die Gießener Allgemeinmedizinerin hatte auf der Internetseite ihrer Praxis darauf hingewiesen, auch Schwangerschaftsabbrüche anzubieten. Abtreibungsgegner hatten dies entdeckt und Hänel angezeigt. Für die Befürworter einer völligen Streichung wurde Hänel inzwischen zu einer Art Galionsfigur.

Geldstrafe von rund 6.000 Euro

Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel im November 2017 wegen Verstoßes gegen Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches zu einer Geldstrafe von rund 6.000 Euro verurteilt. Die Strafnorm untersagt das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll gewährleistet werden, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht wie eine normale ärztliche Dienstleistung angesehen wird.

Das Landgericht Gießen hatte im Oktober 2018 in der Berufungsinstanz die Verurteilung Hänels bestätigt. Zahlreiche Politiker sprachen sich daraufhin für eine Reform des Paragrafen 219a aus. Über Monate hinweg folgten heftige politische Auseinandersetzungen. Innerhalb der Bundesregierung war der erste große Krach damit programmiert.

Im Februar 2019 verständigten sich Union und SPD schließlich unter Federführung des Justizministeriums auf eine Reform: Der umstrittene Paragraf wurde ergänzt und gelockert, aber nicht abgeschafft - wie es große Teile der SPD sowie die Oppositionsfraktionen mit Ausnahme der AfD wollten. Dem Paragrafen 219a wurde der Ausnahmetatbestand hinzugefügt, dass das Werbeverbot nicht für Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen gilt, die Abtreibungen vornehmen. Diese dürfen künftig "auf die Tatsache hinweisen", dass sie Abtreibungen vornehmen. Eine umfangreiche Information über das "Wie" ist aber weiterhin verboten.

Katholische Kirche für Beibehaltung des Werbeverbots für Abtreibungen

Die katholische Kirche hatte sich in der Debatte für die Beibehaltung des Werbeverbots für Abtreibungen ausgesprochen. Allerdings sprach das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nach der Einigung der Parteien von einem "tragfähigen Kompromiss".

Unterdessen wurde Anfang Dezember eine Berliner Ärztin erstmals nach der Reform wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 219a rechtskräftig verurteilt. Sie hatten auf der Website ihrer Gemeinschaftspraxis geschrieben: "Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen." Und damit hatten sie aus Sicht des Gerichts unzulässigerweise die Methode zur Durchführung der Abtreibung angegeben.

Zurück zum Fall Hänel: Anfang Juli 2019 wurde das Revisionsurteil veröffentlicht und das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hob das Urteil des Landgerichts Gießen auf. Es lasse sich nicht ausschließen, dass die Neuregelung des Paragrafen 291a zu einer für die Angeklagte günstigeren Bewertung führe. Das Verfahren wurde an das Landgericht Gießen zur Neuverhandlung zurückverwiesen - und zwar an die 4. Strafkammer statt der 3. Strafkammer, die das Berufungsverfahren geführt hatte, wie Gerichtspressesprecher Dominik Balzer auf Anfrage sagte.

Hänel selbst hatte sich verärgert über die Entscheidung des Gerichts geäußert. Das verlängere ihren Weg zum Bundesverfassungsgericht, so die Ärztin, die nach wie vor die völlige Streichung erreichen will.

Wer in diesen Tagen Hänels Homepage anklickt, findet jedenfalls bei ihrem Leistungsspektrum unter "Frauengesundheit" auch den Begriff Schwangerschaftsabbruch - und auch einen Link zu einer Informationsbroschüre auf deutsch, englisch und türkisch.


Quelle:
KNA