DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Hamburg ist in der Folge der deutschen Wiedervereinigung neu errichtet worden. Können Sie die Hintergründe dazu erklären?
Hans-Jochen Jaschke (Emeritierter Weihbischof in Hamburg): Wir sind natürlich alle überrascht worden von den Entwicklungen. Die Wiedervereinigung war eine tolle Zeit. Die Grenzen wurden geöffnet. Brüder und Schwestern aus dem Osten konnten kommen und mit ihren Trabis die Luft verpesten. Die Hamburger hatten immer schon seit vielen langen Jahren gesagt, eigentlich müssten wir ein eigenes Bistum sein. Wir sind zu weit weg von Osnabrück.
Die Osnabrücker sind uns lieb und teuer, aber Hamburg hat eine ganz eigene Tradition und Hamburg möchte wieder etwas Eigenes sein. So soll das alte Erzbistum wieder auferstehen, das seit dem Gründervater Ansgar, also seit ganz alten Zeiten, bestanden hat.
DOMRADIO.DE: Das Erzbistum ist dann tatsächlich neu entstanden. Dafür musste auch ein Bischof gefunden werden. Das war damals nicht ganz einfach, oder?
Jaschke: Nein, denn erstmal musste die Zustimmung von den zuständigen Ländern gefunden werden. Die Stadt Hamburg war natürlich jederzeit bereit. Erst dann mussten die Bischöfe gewonnen werden. Der Osnabrücker Bischof wusste, dass die Hamburger immer schon ein Interesse hatten, ein eigenes Bistum zu bilden. Er hat wohl auch gesehen, dass es an der Zeit ist. Der Hildesheimer Bischof musste dafür gewonnen werden. Er hatte ja einen Teil unseres früheren Bistums, der Teil Harburg gehörte zu Hildesheim.
Ebenso mussten die Mecklenburger gewonnen werden. Sie waren gar nicht so sicher, ob sie zu Hamburg wollten. Sie wollten am liebsten selbstständig werden, aber das ging natürlich nicht. Auch zu Berlin wollten sie nicht gehören, sondern eher bei Osnabrück bleiben. Schließlich war es dann aber Hamburg. Das waren komplizierte Entscheidungen.
DOMRADIO.DE: Sie waren die meiste Zeit als Weihbischof in Hamburg tätig. Wie würden Sie denn diese 25-jährige Geschichte des Erzbistums bezeichnen? War das eine Erfolgsgeschichte?
Jaschke: Natürlich müssen wir stolz sein, dass wir ein eigenes Bistum geworden sind – mit Schleswig-Holstein, mit Mecklenburg natürlich und in Freundschaft zu Osnabrück. Eine Erfolgsgeschichte? Ja. Ich denke es war richtig, dass wir in der Diaspora den Mittelpunkt Hamburg errichten konnten.
Aber es brauchte natürlich lange, lange Zeiten, bis wir uns mit den neuen Situationen eingefunden haben. Wir mussten mit den finanziellen Gegebenheiten rechnen. Hinsichtlich der Entwicklungen in der Stadt Hamburg sind wir überrascht worden. Wir müssen mit den Landesregierungen klar kommen. Im Ganzen war es eine Erfolgsgeschichte, dass die Diaspora im Norden ein eigenes Gesicht zeigt und stolz und selbstbewusst auftreten kann.
DOMRADIO.DE: Das Erzbistum befindet sich aktuell in Recht stürmischem Fahrwasser. Es gibt zum Beispiel Streit um die erzbischöflichen Schulen. Das Geld ist einigermaßen knapp. Die Kirche steckt in der Krise, nicht zuletzt natürlich auch wegen des Missbrauchsskandals. Blicken Sie trotzdem zuversichtlich in die Zukunft des Erzbistums Hamburg?
Jaschke: Man muss immer zuversichtlich in die Zukunft blicken. Was mir zurzeit sehr weh tut, ist natürlich die allgemeine Entwicklung, die Missbrauchsgeschichte, die uns alle überrascht hat. Wir alle ahnten natürlich irgendetwas. Aber mit diesen Dimensionen haben wir nie in den schlimmsten Albträumen gerechnet.
Finanziell stand Hamburg eigentlich immer gut da. Aber wir wussten wohl, dass unsere Schulen – ein Spezifikum der Hamburger katholischen Kirche – auf Dauer ein Problem werden könnten. Der Pensionsfonds der Lehrer stand uns immer irgendwie vor Augen.
Wir wurden beruhigt und waren der Meinung, das kriegen wir schon hin. So haben wir dann zuversichtlich begonnen. Wir haben sogar noch neue Schulen gebaut. Insgesamt haben wir gut begonnen und sind dann ziemlich kalt überrascht worden.
Die Wirtschaftsfachleute kamen dazwischen, die sagten, ihr müsst aufpassen, da ihr überschuldet seid. Es wurde sicherlich auch ohne große Rücksicht auf die Öffentlichkeit die Entscheidung getroffen worden, dass wir Schulen schließen müssen, um das System als Ganzes weiter zu stabilisieren.
DOMRADIO.DE: Aber es gibt heute gute Gründe diesen 25. Geburtstag zu feiern. Wie genau begehen Sie den Tag?
Jaschke: Wir halten einen feierlichen Gottesdienst. Bischof Bode aus Osnabrück wird die Predigt halten. Er kam erst in dieses Amt, als das Erzbistum Hamburg schon gegründet war.
Die Osnabrücker mussten natürlich auch ihrerseits ein bisschen beruhigt werden, dass die Entstehung des Erzbistums Hamburg nicht gegen sie gerichtet ist. Wir sind weiter auf gute und beste Zusammenarbeit aus. Wir feiern auch mit dem Bürgermeister. Vor allem feiern wir auch mit Bedenklichkeit, das heißt mit Blick auf die aktuelle Entwicklung unserer Kirche, der katholischen Kirche.
Das tut uns weh. Das beschämt uns und greift uns bis ins Mark an. Aber wir gehen zuversichtlich weiter. Wir wollen auch die Ökumene weiterentwickeln, die in Hamburg immer einen guten Stand hatte. Ich habe als Weihbischof mit Bischöfin Jepsen, der weltweit ersten evangelischen Bischöfin, zusammen gearbeitet. Wir haben gute Zeiten hinter uns und ich glaube, wir gehen weiter und werden sehen: das Bistum hat Zukunft.
Das Interview führte Verena Tröster.