Kölner Notschlafstelle für Drogenabhängige wird 30

"Diese Menschen sind die Privilegierten Jesu"

An diesem Sonntag feiert das Kölner Notel, die Notschlafstelle für obdachlose Drogenabhängige, sein 30. Jubiläum. "Das Gebet ist unsere Ressource" sagt die Leiterin Bärbel Ackerschott. Und die Gäste, die kommen, Jesu "Privilegierte". 

Obdachloser auf einer Bank / © Srdjan Randjelovic (shutterstock)
Obdachloser auf einer Bank / © Srdjan Randjelovic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Dass das Notel ausgerechnet an einem 2. Februar wie heute gegründet wurde, ist kein Zufall, oder?

Bärbel Ackerschott (Leiterin des Notels): Nein, der 2. Februar ist der Sterbetag des Ordensgründers der Spiritaner, Franz Maria Paul Libermann. Deswegen ist das der Eröffnungstag des Notels geworden.

DOMRADIO.DE: Wer kommt alles zu Ihnen? Was ist Ihre klassische Klientel?

Ackerschott: Unsere Gäste sind zu 100 Prozent obdachlose, intravenös spritzende Drogenabhängige, also Heroinabhängige.

DOMRADIO.DE: War das von Anfang an so oder gab es Entwicklungen in diesen drei Jahrzehnten? Hat sich da etwas verändert?

Ackerschott: An der Zielgruppe hat sich nichts verändert. Die Notschlafstelle ist bewusst für obdachlose Drogenabhängige eingerichtet worden, weil es für sie damals hier in Köln noch nichts gab. Und da die Spiritaner nun mal einen Narren an den Menschen am Rande gefressen haben, war es klar, dass wir mit Drogenabhängigen arbeiten, als sich die Möglichkeit ergab und die Räume da waren.

DOMRADIO.DE: Hat sich etwas geändert, was die Nationalitäten der Leute angeht?

Ackerschott: Ja, es kommen die letzten Jahre verstärkt Osteuropäer. Das hat sich geändert.

DOMRADIO.DE: Sie machen das Ganze nach wie vor im Geist der Spiritaner. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Ackerschott: Ob es uns passt oder nicht: Diese Menschen sind die Privilegierten des Jesus von Nazareth. Und ich erlebe es immer wieder als Geschenk, auch wenn es Kraft und Nerven kostet, bei ihnen sein zu können.

DOMRADIO.DE: Gibt es etwas, worauf Sie ein bisschen stolz sind, was Ihnen bei dieser - sicher nicht immer ganz leichten - Arbeit gelungen ist oder gelingt?

Ackerschott: "Stolz" ist das falsche Wort. Ich würde "Dankbarkeit" sagen. Wir sind dankbar, dass unsere Einrichtung in der Szene einen guten Ruf hat und dass wir das Vertrauen vieler unserer Gäste gewinnen konnten. Das Schönste an Jubiläen ist immer, dass wir sehr klar erleben, was wir für ein tolles Netz haben, das uns trägt. Dafür bin ich sehr dankbar. Und wir haben in Stadt und Kirche auch einen guten Stand, denke ich.

DOMRADIO.DE: Stichwort "Kirche": Sie sind eine Einrichtung der katholischen Kirche. Macht das ein Unterschied? Sind Sie irgendwie anders als eine städtische Einrichtung?

Ackerschott: Also ich denke, wir machen keine bessere Sozialarbeit als andere. Ich hoffe, auch keine schlechtere. Das Entscheidende ist im Notel, dass wir als Arbeitsgemeinschaft auch Gebetsgemeinschaft sind. Das Gebet ist unsere Ressource, unsere Kraftquelle. Das prägt unser Menschenbild und aus dem heraus tun wir unsere Arbeit.

Wir sind ein diakonisches Projekt. Der Glaube des Einzelnen findet nicht im Privatraum statt. Es ist nicht jedem selbst überlassen, ob er mal zum Gottesdienst geht oder nicht. Wir haben pro Schicht drei Gebetszeiten.

DOMRADIO.DE: Was haben Sie gleich vor? 

Ackerschott: Wir haben zum einen die Drogenabhängigen eingeladen - wie jeden Sonntag über den Winter. Da bieten wir sonntagnachmittags mit einer großen Gruppe von Ehrenamtlichen die Möglichkeit, sich bei uns aufzuwärmen. Es gibt heiße Suppe, Kaffee und Kuchen - alles umsonst. Der Kuchen ist überwiegend gespendet. Das ist ein sehr schönes Angebot, das auch gerne angenommen wird. Und dann haben wir, weil heute das Fest ist, auch unsere Spender und Freunde eingeladen.

DOMRADIO.DE: Die Idee ist, dass diese beiden Gruppen, die Spender und Freunde und diejenigen, um die sie sich sonst kümmern, miteinander in Kontakt oder ins Gespräch kommen?

Ackerschott: Nein. Wir feiern zusammen und was sich ergibt, ergibt sich. Für die Drogenabhängigen ist es eine fremde Welt. Wir sind gespannt, wie sie reagieren. Es kann sein, dass sie sich nur versorgen, schnell essen, Kuchen, Spritzen tauschen und wieder weg sind, weil ihnen das unheimlich ist. Und es ist der 2. Februar, das heißt, sie haben alle Geld gekriegt, es ist Monatsanfang. Das könnte auch noch eine Rolle spielen, dass nicht so viele kommen. Wir werden sehen.

DOMRADIO.DE: Sie sind eine Einrichtung der katholischen Kirche, getragen von der Spiritaner-Stiftung. Gehört es zur Geburtstagsparty dazu, Gott "Danke" zu sagen?

Ackerschott: Ja, wir feiern um 18 Uhr mit der Gemeinde Sankt Maria Lyskirchen die normale Gemeindemess als Dankmesse. Die Gemeinde Lyskirchen ist ein tragendes Element geworden, das ist in den letzten 15 Jahren gewachsen. Da komm viele Ehrenamtler her - eine treue Gruppe von Kuchenbäckern, Sach- und Geldspendern. Maria Lyskirchen ist eine tragende Säule für uns.

DOMRADIO.DE: Tatsächlich haben Sie ja im Notel selbst auch eine kleine Kapelle, einen Gebetsraum. Und genau für diesen Raum haben Sie ein besonderes Geschenk bekommen, nämlich ein Fenster.

Ackerschott: Das Kapellenfenster war bis jetzt klar. Wir schauten auf die sechsspurige Straße raus. Und jetzt zum Jubiläum haben wir es geschenkt bekommen. Ich finde, es ist sehr schön geworden. Die Flächen sind gestaltet. Es ist bunt wie das Notel und hat klare Linien. Das ist sehr wichtig, dass im Notel klare Linien sind - vor allen Dingen von uns Mitarbeitern.

Und es ist transparent. Mit Transparenz steht und fällt das Miteinander von Gästen und Mitarbeitern. Und in all dem, unserem Tun, hoffen wir, dass der Heilige Geist mit uns im Bunde ist. Der wird im Fenster durch eine Taube symbolisiert.

DOMRADIO.DE: Die Künstlerin dürfen wir natürlich nicht unerwähnt lassen...

Ackerschott: Natürlich. Ehre, wem Ehre gebührt. Frau Ulrike Zilly hat das Fenster gestaltet, sie ist auch im Team gewesen. Wir hatten ein sehr gutes Gespräch. Für uns war es ein Eintauchen in eine neue Welt oder eine andere Welt. Wir kennen es in unseren Team-Sitzungen, dass ein Problem beschrieben wird. Dann ist das Ziel da, und es geht darum, wie wir dahin kommen. Dann gibt es eine Entscheidung und dann geht es weiter.

Und auf einmal sitzen wir ganz entspannt bei uns im Aufenthaltsraum mit der Künstlerin und denken über Farbvariationen, Flächengestaltung und so etwas nach. Wir haben gestaunt, es hat gut getan. Es war eine tolle Erfahrung.

DOMRADIO.DE: Bei Einrichtungen wie dem Notel wäre es schön, wenn es die in Zukunft nicht mehr geben müsste. Das ist so nicht absehbar. Was wünschen Sie sich für das Notel für die nähere Zukunft?

Ackerschott: Für die nähere Zukunft wünsche ich mir, dass das Netz sich weiter stabilisiert, beziehungsweise so stabil bleibt. Für die Drogenabhängigen wünsche ich mir sehr, dass es hier in Köln flächendeckend Druckräume gibt, in denen sie ihren Stoff in Ruhe und sauber konsumieren können. Die Druckräume sind für mich aber nur ein erster kleiner Schritt. Letzten Endes brauchen wir dringend eine kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Die Sozialarbeiterin Bärbel Ackerschott ist das Gesicht des Notels  / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Sozialarbeiterin Bärbel Ackerschott ist das Gesicht des Notels / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR