"Müder Wanderer stehe still, mach bei Sankt Corona Rast. Dich im Gebet ihr fromm empfiehl, wenn Du manch Kummer und Sorgen hast." Sankt Corona? Wer zu Fuß oder per Fahrrad vor den südlichen Toren Münchens unterwegs ist, mag sich beim Anblick dieser Zeilen erstmal die Augen reiben.
Da glaubt man fern aller Nachrichten zu sein, die rund um die Uhr von neuen Infektionen durch das Coronavirus berichten, und dann das. Der Text steht auf einer Außenwand einer kleinen Kapelle aus dem 19. Jahrhundert, die idyllisch mitten im Wald bei Sauerlach liegt.
Märtyrerin aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus
Gewidmet ist das kleine Gotteshaus tatsächlich der heiligen Corona, einer Märtyrerin aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Vor allem in Bayern und Österreich wurde sie verehrt, wie Helmut Berthold weiß.
Der 79-Jährige ist Chronist von Arget, einem früher selbstständigen Ort, der heute zu Sauerlach gehört. Reliquien der Märtyrerin sollen einst von Karl IV. und Otto III. in die Dome nach Prag und Aachen gebracht worden sein. In Niederösterreich und vor den Toren Wiens gibt es sogar zwei Orte namens Sankt Corona.
Im Bistum Passau erinnern zwei Kirchen an die Heilige. 1641 wurde nordwestlich der Altstadt Passaus ein Gotteshaus nach ihr benannt. In der Endzeit des Dreißigjährigen Kriegs stand sie im Ruf einer Hüterin verborgener Schätze und Gebieterin böser Geister, informiert der Pfarrverband Hacklberg auf seiner Internetseite über die Kirche St. Korona. Die frühbarocke Wallfahrtskirche Handlab im Landkreis Deggendorf ist ihr ebenfalls geweiht - gemeinsam mit der Himmelskönigin Maria.
Wie aber kam Sankt Corona nach Oberbayern? Dazu gibt es rätselhafte Überlieferungen. Demnach hat sich der Platz quasi von sich aus angeboten für den Bau einer Kapelle. 1599 nämlich fand ein Ehepaar dort ein nicht näher beschriebenes Holzbild und nahm es mit zu sich nach Hause. Dort blieb es aber nicht lange, sondern gelangte auf wundersame Weise immer wieder zurück an den Fundort. 1648 wurde mit dem Bau des Kirchleins begonnen, die Weihe folgte 1672 durch einen Freisinger Weihbischof. Dreimal im Jahr wurde nun Gottesdienst gefeiert.
Furchtbare Leidensgeschichte
Die Leidensgeschichte der Heiligen klingt furchtbar: Als 16-Jährige musste sie zusehen, wie ihr Ehemann Victor seines Glaubens wegen umgebracht wurde. Sie selbst wurde gleichfalls zum Tode verurteilt und zwischen zwei Palmen festgebunden. Als diese auseinanderschnellten, riss es ihren Körper in Stücke. Um 175 nach Christus soll das gewesen sein, als Ort der Hinrichtung wird Syrien oder Ägypten vermutet.
Dargestellt wird Corona in der Regel mit Krone, was ihr lateinischer Namen auch übersetzt bedeutet, oder eben mit Palmen. Angerufen wird sie in der Regel, wenn es ums Geld geht: Von Anlegern, Glücksspielern und Schatzgräbern. Auch dem Fleischerhandwerk dient sie als Patronin. Bei Zahnschmerzen soll ihre Fürsprache ebenfalls helfen.
In Arget uferte ihre Verehrung über die Jahre derart aus, dass der zuständige Pfarrer pikiert notierte: "Die Jungen trinken, tanzen und springen, raufen und schlagen." 1807 hatte er genug von diesen Auswüchsen und ließ die Kapelle abbrechen. Die Steine riss sich derweil der Wirt von Arget unter den Nagel und errichtete davon einen Schweinestall. Die Zucht soll aber unter keinem guten Stern gestanden haben, entnimmt Berthold den Aufzeichnungen, so dass er es bald wieder sein ließ und die Steine für den Wiederaufbau der Kapelle zur Verfügung stellte.
Dieser begann um 1820. Komplett renoviert wurde die Kapelle zuletzt 1986. Gelegentlich finden noch Maiandachten dort statt, ist doch das Fest der Märtyrerin am 14. Mai. Wer vorbeikommt, kann durch ein Fenster einen Blick ins Innere wagen. Dort sieht er einen einfachen Holzaltar mit Abbildungen der Märtyrerin.
Zuletzt ließen die Bittgänge zur heiligen Corona nach, aber das könnte sich in diesen bewegten Zeiten bald ändern. Not soll ja beten lehren.