Papst stimmt Kardinal Barbarins Rückzug zu

Ende einer langen Odyssee der französischen Kirche

Nach zwei Gerichtsprozessen, unzähligen Medienartikeln und einer Auszeit darf Kardinal Philippe Barbarin zurücktreten. Das hat Papst Franziskus nun entschieden. Das Ende einer langen, schmerzhaften Affäre für die Kirche in Lyon.

Autor/in:
Franziska Broich
Papst Franziskus und Philippe Barbarin  / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus und Philippe Barbarin / © Vatican Media ( KNA )

"Jesus wirklich nachfolgen, in einer dienenden, brüderlichen und missionarischen Kirche" - Dieses Motto twitterte Kardinal Philippe Barbarin am Freitagmittag, nachdem er erfahren hatte, dass Papst Franziskus seinen Rücktritt angenommen hat. Es ist das Ende einer langen Odyssee.

Sie nahm ihren Lauf 2016, als der Fall Barbarin ins Blickfeld der Medien rückte. Damals wurde zum ersten Mal gegen den Erzbischof von Lyon wegen Nichtanzeige sexueller Übergriffe des inzwischen aus dem Klerikerstand entlassenen Priesters Bernard Preynat ermittelt. Doch die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach einigen Monaten ein; es habe keine Hinweise auf eine Straftat Barbarins gegeben.

Barbarin im Zeugenstand

Im Januar 2019 dann der zweite Prozess. Mehrere Opfer sagten aus. Auch Barbarin sprach lange im Zeugenstand. Er beteuerte mehrmals seine Unschuld. "Ehrlich gesagt sehe ich nicht, wessen ich schuldig bin", sagte er während des Prozesses. Er habe nicht vermutet, dass er sich an die Justiz wenden müsse, "da die Fälle verjährt waren und das Opfer selbst bestätigt hat, dass es nichts mehr ändern könne".

Am 30. Januar sprach das Berufungsgericht in Lyon Barbarin vom Vorwurf der Nichtanzeige sexueller Übergriffe frei. Der Staatsanwalt begründete seine Entscheidung mit Zweifeln: Die Verurteilung des Kardinals wäre eine zu "weitreichende Auslegung" des Rechts gewesen, hieß es.

Begonnen hatte alles in den 80er Jahren. Damals soll der heute 75-jährige Priester Preynat, der für die Pfadfinder im Lyoner Stadtteil Sainte-Foy zuständig war, mehrere minderjährige Pfadfinder missbraucht haben. Der Prozess um Barbarin beschäftigte sich mit der Frage, wann der Erzbischof davon erfuhr.

Im Interview mit "Le Point" sagte Barbarin im Februar, es habe ihm "an Mut und Entschlossenheit" gegenüber dem Missbrauchstäter Preynat gefehlt. "Ich habe immer - fälschlich - gedacht, das hätten meine Vorgänger alles schon gelöst." Barbarin klagt sich im Nachhinein auch an, das Ausmaß der Missbrauchsfälle in der Erzdiözese sei ihm zu spät klar geworden. "Es ist mir erst gegen Ende 2014 brutal bewusst geworden, was diese Taten konkret bedeuteten - das Leiden der Opfer."

"Fehler bei der Amtsausübung"

Freimütig räumt der Kardinal im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Fehler bei der Amtsausübung" ein. Er spricht aber auch von einem "Medien-Tsunami", den er in den vergangenen vier Jahren erlebt habe.

Immerhin hätten die "Angriffe" auf ihn aber "auch zu etwas Positivem geführt", nämlich zu einem "allgemeinen Aufwachen" in Sachen Missbrauch.

Im Juli 2019 wurde Preynat von einem Kirchengericht aus dem Klerikerstand entlassen. In seinem eigenen Missbrauchsprozess, der seit Januar in Lyon anhängig ist, hat der Staatsanwalt acht Jahre Haft gefordert. Das Urteil soll Ende März fallen.

Auch wenn Barbarin freigesprochen wurde, zurücktreten wollte er immer noch. In einem Interview mit "Le Point" sagte er Mitte Februar, dass er sich keine weitere Zukunft an der Spitze der Erzdiözese Lyon vorstellen könne. Er sehe seine Zukunft als Wallfahrtspriester, als Prediger bei geistlichen Exerzitien oder als Seelsorger in Madagaskar, wo er schon in den 90er Jahren als Priester arbeitete. Er wolle sein Amt als Erzbischof erneut in die Hände des Papstes legen, um ein neues Kapitel für die Kirche von Lyon aufzuschlagen, erklärte Barbarin.

Papst nimmt Amtsverzicht nun an

Bereits nach dem Urteil im zweiten Prozess war Barbarin von der Bildfläche verschwunden. Der inzwischen 69-Jährige übertrug die Leitung des Erzbistums Lyon zunächst Generalvikar Yves Baumgarten, bevor Papst Franziskus übergangsweise den früheren Bischof von Evry-Corbeille-Essonnes, Michel Dubost (77), einsetzte. Papst Franziskus nahm den Amtsverzicht Barbarins zunächst nicht an: Da das Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, gelte die Unschuldsvermutung. Am Freitag fällte Franziskus nun eine neue Entscheidung.

Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, dankte Barbarin am Freitag für seinen Dienst. Mit ihm hofften die Bischöfe, dass das Ergebnis der Verfahren zur Heilung der Opfer beitragen möge, denen sie erneut ihre tiefe Trauer über das, was sie möglicherweise erlitten hätten, zum Ausdruck bringen wollten, heißt es in der Mitteilung.


Quelle:
KNA
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