Wie schwarz gewordene hohle Zahnstummel ragen sie in die Landschaft. Neben den vielen romantischen Burgen und Schlössern am Mittelrhein sehen die mächtigen Brückentürme an den beiden Rheinufern bei Remagen in der Nähe von Bonn ziemlich hässlich aus. Und doch sind die 22 Meter hohen Wehrtürme am Stromkilometer 633 historisch bedeutender und weltweit bekannter als so manches Glanzstück der Rheinromantik: Sie trugen die weltberühmte Brücke zwischen Remagen und Erpel, die am 7. März 1945, vor 75 Jahren, den amerikanischen Truppen als einzige von 40 deutschen Rheinbrücken unzerstört in die Hände fiel. Remagen steht damit für den ersten Rheinübergang der alliierten Truppen und den Anfang vom Ende des Krieges in Deutschland.
Vergebliche Sprengung der Brücke
Zu ihrer eigenen Überraschung war es amerikanischen Soldaten im Handstreich gelungen, die im Ersten Weltkrieg fertig gestellte, 325 Meter lange und 4.600 Tonnen schwere Eisenbahnüberquerung mit ihren 22 Meter hohen Wehrtürmen unzerstört in die Hände zu bekommen. Deutsche Soldaten hatten vergeblich versucht, die riesige Stahlkonstruktion zu sprengen. Die Zündanlage versagte; zudem war der eigentlich dafür vorgesehene Sprengstoff - 600 Kilogramm Ekrasit - in den Tagen zuvor nach Köln abtransportiert worden. Eine Notsprengung hob die Brücke lediglich kurz aus ihren Verankerungen.
Die Brücke sei ihr Gewicht in Gold wert, erklärte der amerikanische General Dwight D. Eisenhower. Deutsche Kampftaucher, Bomber und V-2-Raketen versuchten vergeblich, die riesige Stahlkonstruktion zu zerstören. Das in den USA so bezeichnete "Wunder von Remagen" ließ die Alliierten erstmals ins Innere Deutschlands vorstoßen. Innerhalb von 24 Stunden standen bereits 8.000 US-Soldaten auf der Ostseite des Rheins; in Windeseile wurde zudem eine mobile Pontonbrücke errichtet. Tag und Nacht rollten Nachschubkolonnen über die Brücke, bis sie am 17. März einstürzte und 31 US-Soldaten mit in den Tod riss. Der Krieg wurde um Wochen verkürzt.
Erinnerung das Schicksal der Soldaten und Zivilisten
1968 wurden die dramatischen Ereignisse verfilmt. In die Dreharbeiten zu dem Hollywoodstreifen in der Tschechoslowakei platzte der Einmarsch von Ostblock-Truppen zur Beendigung des Prager Frühlings. Die Crew musste abreisen; der Film wurde in Hamburg fertig gedreht.
Seit 2006 inszeniert die Landesbühne Rheinland-Pfalz immer wieder am Originalschauplatz - im sich an die Brücke anschließenden Tunnel - ein Theaterstück über das Schicksal der deutschen Soldaten und der Zivilisten, die sich im Tunnel versteckt hielten.
Rund 800.000 Menschen haben bislang das Friedensmuseum besucht, das die Stadt Remagen 1980 in den beiden Turmstümpfen auf der westlichen Rheinseite einrichtete - darunter viele Kriegsveteranen aus den USA. Bronzetafeln und Fotos erinnern an die beteiligten Soldaten, auch an die deutschen Offiziere, die Hitler wegen der missglückten Sprengung hinrichten ließ. Geschosshülsen, Granatsplitter und Stacheldraht werden aufbewahrt. In einem Video-Raum werden alte Wochenschau-Berichte gezeigt.
Gefangenenlager der amerikanischen Streitkräfte
Doch das Friedensmuseum ist nicht die einzige Gedenkstätte auf dem rund drei Quadratkilometer großen Gelände, das wegen seines Lehmbodens auch "goldene Meile" genannt wird. Wenige hundert Meter weiter erinnert eine 1987 eingeweihte Gnadenkapelle an das Gefangenenlager, das die Amerikaner auf den Rheinwiesen errichteten. In Erdlöchern und dürftigen Zelten hausten bis zum Spätsommer 1945 bis zu 260.000 deutsche Soldaten, insgesamt bis zu 1,5 Millionen Männer. Eine Kartoffel, ein Keks, ein Löffel Gemüse und etwas gechlortes Rheinwasser - das war ihre Tagesration. Rund 1.200 starben an Unterernährung und Krankheiten.
"Jeden Tag mit Herz und Verstand für den Frieden arbeiten"
Gekrönt wird die Kapelle von einem Dornenkranz, der auch an die Stacheldrahtumzäunung erinnert. Wind und Regen können durch die offene Zeltkonstruktion hindurchfegen wie im Frühjahr 1945 durch das Lager. Mittelpunkt der Kapelle ist eine aus dem Lehm des Lagers hergestellte "Schwarze Madonna", die der Essener Bildhauer Adolf Wamper während seiner Gefangenschaft gestaltet hatte. Das Leitmotiv für die Gedenkstätte findet sich in der Friedenshalle des Museums: "Lasst uns jeden Tag mit Herz und Verstand für den Frieden arbeiten. Beginne jeder bei sich selbst."