Bildergalerie Rom und Vatikan im Ausnahmezustand
DOMRADIO.DE: Mittwoch ist eigentlich der Tag der Generalaudienz, da sind dann tausende Pilger auf dem Petersplatz. Das ist nun ausgefallen. Wie geht der Vatikan damit um? Gab es einen Ersatz?
Gudrun Sailer (Radio Vatikan): Papst Franziskus hat die Generalaudienz vom Apostolischen Palast aus gehalten. Das wurde dann als Live-Stream übertragen, wie es eigentlich seit Jahren üblich ist, dass die Vatikan-Medien die Generalaudienz live übertragen.
Aber: In diesem Raum im Apostolischen Palast waren diesmal, und das ist der große Unterschied, nicht tausende Pilger und Besucher und Neugierige wie sonst auch, sondern nur eine Handvoll Kurien-Monsignori. Die standen da alle in gebührendem Abstand zueinander und versuchten, eine Art Ersatz für das Volk zu sein. Es war ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber wir hoffen natürlich, dass wir uns daran gar nicht wirklich gewöhnen müssen, sondern dass das nur noch die nächsten zwei Wochen in dieser Form stattfindet.
DOMRADIO.DE: Wie reagiert der Papst auf die Corona-Epidemie? Ist das auch Thema in seinen Predigten?
Sailer: Ja, ständig. Die Morgenmessen widmet er allen Kranken, Infizierten, den Pflegekräfte und Familien. Überhaupt gibt es keine Predigt, keinen öffentlichen Auftritt des Papstes dieser Tage ohne die Bitte, für die Kranken und ihre Familien zu beten. Er wendet sich in diesen Live-Streams auch direkt an die Betroffenen, dankt allen, die im Gesundheitswesen arbeiten.
Die Folgen des Coronavirus sind in dem, was der Papst sagt, überall da. Aber dann gibt es immer auch eine Weitung des Blicks: "Bitte denkt in dieser ganzen Krise mit dem Virus immer auch an die Menschen, denen es mindestens so schlecht wie euch geht." Zum Beispiel die Migranten an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Diesen Schwenk hat der Papst bei der Generalaudienz gemacht. Und das war auch kein Einzelfall.
DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie den Heiligen Vater in diesen Tagen?
Sailer: Ich erlebe ihn ziemlich gedämpft, gedrückt.
DOMRADIO.DE: Woran liegt das?
Sailer: Meine Interpretation ist, dass ihn diese auferlegte Selbstisolation zusetzt. Wir wissen ja, dass Papst Franziskus jemand ist, der immer gerne unter Leuten ist. Das ist seine Wesensart. Bei der Generalaudienz ist der Teil, der ihm selbst immer am meisten gegeben hat, der Moment, wenn er nach der eigentlichen Generalaudienz die Menschen mit Behinderung trifft. Und das geht jetzt gerade nicht. Also ein Papst, der irgendwie auf sich selbst zurückgeworfen ist. Ich kann mir vorstellen, dass ihn das bedrückt und verunsichert. Aber da muss ich vielleicht dazusagen: Diese Lage verunsichert uns hier in Italien alle.
DOMRADIO.DE: Rund um den Petersplatz ist es jetzt leer. Kommen tatsächlich keine Touristen mehr?
Sailer: Einige ganz Unentwegte sind noch unterwegs, aber es werden von Tag zu Tag weniger. Ich bin am Vormittag am Petersplatz vorbeigegangen, das standen an der Absperrung vielleicht zehn, zwanzig Leute, mehr nicht.
DOMRADIO.DE: Der Vatikan hat viele Maßnahmen ergriffen, oder?
Sailer: Viele Vorsichtsmassnahmen. Die wichtigste ist die ziemlich dramatische Schließung des Petersdoms und des Petersplatzes. Das gab es noch nie, was auch immer war. Ich denke an den Zweiten Weltkrieg zum Beispiel. Die Kirche des Papstes war offen, jeden Tag. Sie war stets eine Art spiritueller Sammel- und Fluchtpunkt gegen die Übel der Welt. Und jetzt ist sie drei Wochen zu. Also ein geschlossener Petersdom, das ist ein Schock für viele Menschen in Rom.
DOMRADIO.DE: Und Rom? Wie erleben sie die Stadt? Sind die Regale in den Läden leer und ist da niemand auf den Straßen?
Sailer: Viele Geschäfte sind geschlossen, aber nicht alle. Offen sind alle Supermärkte und es gibt auch alles zu kaufen. Also keine leeren Regale dort. Aber der Zugang wird kontingentiert, damit sich die Leute gegenseitig nicht zu nahe kommen. Auf den Straßen sind, wie gesagt, deutlich weniger Menschen als sonst unterwegs, gerade auch im Stadtzentrum. Auf dem Piazza Navona zum Beispiel. Den hab ich mir gerade auf einer Live-Webcam angesehen. Wären es Schwarzweißbilder, würde man meinen, wir seien in den Fünfzigerjahren. So wenige Leute, eine fast leere Stadt mit Sonne im Frühling. Es wäre alles recht schön, wäre da nicht diese diffuse Bedrohung durch das Virus.
DOMRADIO.DE: Und Sie persönlich, haben Sie Angst?
Sailer: Persönlich gar nicht. Ich würde es für sinnvoll halten, wenn diese drastischen Maßnahmen, die Italien jetzt verhängt hat, auch wirklich von allen eingehalten würden. Dann gibt es nämlich die Chance, dass in drei Wochen kurz vor Ostern alles vorbei ist.
DOMRADIO.DE: Ist das realistisch?
Sailer: Ja, die Hoffnung ist die, dass Ostern mit dem Papst nach überstandener Seuchengefahr ein wirkliches Fest der Erlösung wird. Ostern ist das Fest der Erlösung und das wird in diesem Jahr zumindest in Europa ganz besonders empfunden werden.