Wenn der schönste Tag im Leben ausfällt

"Wir wollten ein großes Fest der Liebe feiern"

Für jede Braut der "worst case": Die Einladungen sind verschickt, die Location ist gebucht und auch die Musik für die Kirche ist längst bestellt. Doch die Hochzeit ist abgesagt. Denn in Zeiten von Corona dürfen Trauungen nicht stattfinden.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Für die kirchliche Heirat gibt es fürs Organisatorische jetzt Unterstützung / © pgaborphotos (shutterstock)
Für die kirchliche Heirat gibt es fürs Organisatorische jetzt Unterstützung / © pgaborphotos ( shutterstock )

Barbara Tauber* fühlt sich wie im falschen Film. "Alles ist so surreal. Eigentlich sollte ich heute vor dem Traualtar stehen. Das Datum des Frühlingsanfangs war bewusst gewählt. Unsere kirchliche Trauung sollte noch einmal ein neuer Aufbruch miteinander sein." Doch es ist anders gekommen. Bereits vor drei Wochen hat sich für sie und ihren Mann Lukas* abgezeichnet, dass das geplante Fest so nicht stattfinden kann.

Zu groß würde die Gefahr für die hochbetagten Eltern und Schwiegereltern, aber auch andere geladene Gäste sein, sich mit dem Corona-Virus anzustecken. "Dabei handelte es sich damals nur um eine Ahnung, dass sich da etwas Ernstes anbahnen könnte. Das Ausmaß der Pandemie war zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht absehbar. Wenn mir da jemand gesagt hätte, dass einem ganzen Land die Ausgangssperre droht, hätte ich gelacht."

Trotzdem hat das Paar beherzt gehandelt und bei allen Gästen nachgefragt, wie die Situation eingeschätzt werde. "Nachdem die Hälfte Bedenken hatte, haben wir uns kurzerhand dafür entschieden, alles abzusagen. Das war ein schmerzlicher Schritt. Aber heute sind wir angesichts der beängstigenden Entwicklung weltweit erleichtert, dass wir uns frühzeitig dazu durchgerungen haben." Natürlich hätten sie monatelang das Fest mit viel Herzblut bis ins letzte Detail vorbereitet. Die Absage habe sie wie eine Vollbremsung mitten in einem laufenden Prozess erlebt, erklärt Barbara Tauber. Das sei zunächst einmal sehr traurig gewesen, doch als schlimmer noch empfinde sie, dass das gesamte Leben momentan jeder Form von Planung entzogen werde und – angesichts der globalen Ausbreitung von Covid 19 – ein Ende nicht absehbar sei. "Da ist eine abgesagte Hochzeit noch das kleinste Problem", findet sie.

Das Fest wird nicht aufgehoben, nur verschoben

Barbara und Lukas Tauber sind mit dieser Erfahrung nicht allein. In diesen Tagen erleben hunderte heiratswillige Paare in Deutschland, dass der sogenannte "schönste Tag" in ihrem Leben sang- und klanglos ausfällt: Alles ist für die Traumhochzeit vorbereitet, das Kleid und Ringe sind gekauft, die Location ist angemietet, die Flitterwochen sind gebucht und die Einladungen an Familie und Freundeskreis verschickt.

Doch Barbara und Lukas, die ihre späte Liebe – erst mit Mitte 50 haben sich die beiden kennengelernt – mit der kirchlichen Zeremonie krönen wollten, erleben das nicht als Drama. "Das liegt vielleicht auch am Alter. Wir sind eben nicht mehr 25 und können warten. Wir sind nur heilfroh, dass wir von uns aus und auch noch rechtzeitig diese Entscheidung getroffen haben, so dass wir auch noch problemlos das kleine Landschloss am Rande der Eifel und den Caterer für 80 Personen absagen konnten. Von der Regelung des Bistums, Trauungen bis auf weiteres auszusetzen, haben wir erst ein paar Tage später erfahren, als ein offizieller Anruf aus dem Seelsorgebereich Veytal kam."

Natürlich lägen nun weitere Planungen erst einmal auf Eis, weil ja niemand Voraussagen treffen könne. Trotzdem stehe fest: Das Fest sei nicht aufgehoben, sondern werde nur verschoben. Dafür sei ihnen das kirchliche Ja-Wort viel zu wichtig. Nun nutzten sie als Paar die Zeit, sich nochmals sehr eingehend mit den für den Gottesdienst bereits ausgewählten Bibeltexten zu beschäftigen. "Verschieben heißt, auch Druck rausnehmen", sagt Lukas Tauber. Das könne auch eine Chance sein, sich eingehender mit dem Wesentlichen auseinanderzusetzen: mit dem, was ihnen beiden der Segen von oben für ihren gemeinsamen Weg wirklich bedeute.

"Trotzdem bleibt ganz viel Dankbarkeit"

"Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit." Sehr bewusst, so berichtet seine Partnerin, hätten sie gemeinsam diesen Trauspruch aus dem Johannes-Evangelium gewählt. Schließlich hinge in einer Beziehung nicht jeden Tag der Himmel voller Geigen – erst recht nicht in einer, in der jeder auch schon ein Leben gelebt habe. Beziehung sei auch ein gutes Stück Arbeit, ein aktives sich Kümmern. Das komme in diesem Bibelwort gut zum Ausdruck.

Unabhängig von dem großen Fest, das sie sehr bewusst mit allen, die ihnen in ihrer besonderen Situation nahe stehen, hätten feiern wollen und das es in dieser Form nun nicht geben werde, bleibe ja trotzdem ganz viel Dankbarkeit für diese Liebe – auch gegenüber Gott, den anderen überhaupt gefunden zu haben und eine gemeinsame Perspektive zu haben. "Wir wollten ein großes Fest der Liebe und der Dankbarkeit feiern", betont Barbara Tauber,  "das ist uns auch im Traugespräch mit unserem Pfarrer noch einmal sehr klar geworden. Es sollte etwas ganz Besonderes und Einmaliges werden – so, wie wir es noch nie gemacht haben."

Statt eines Brautstraußes wird sie sich an diesem Samstag, der eigentlich ihr kirchlicher Hochzeitstag hatte werden sollen, wenigstens ein paar Blumen aus dem Garten auf den Tisch stellen. Um sich selbst, wie sie sagt, mit dieser merkwürdigen Stimmung zu versöhnen, die sie nun doch ab und zu einhole, wenn sie daran denke, wie der Tag wohl unter anderen Vorzeichen verlaufen wäre. "Das Heitere an diesem Frühlingsanfang, das uns auch an unserem Festtag begleiten sollte, ist nun doch ein wenig verloren gegangen – bei aller Einsicht, dass bei der Corona-Krise höhere Mächte mit im Spiel sind und wir es richtig gemacht haben."

Dieser Entscheidung zum Trotz würden sie es sich heute zu zweit so schön wie möglich machen und sich in einem innigen Moment an die standesamtliche Hochzeit, einen wunderschönen Herbsttag im engsten Familien- und Freundeskreis, erinnern, tröstet sich Barbara Tauber. Und sie macht einen glücklichen Eindruck, als sie sagt: "Ich habe einen Mann, der mich liebt. Und alle Menschen, die uns nahe stehen, sind gesund. Das ist das, was zählt. Von daher: Alles ist gut!"

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.


Quelle:
DR